Jakob Lorber - Die sieben göttlichen Eigenschaften - Der Prophet Jakob Lorber

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DER MENSCH
UND SEINE SIEBEN GÖTTLICHEN EIGENSCHAFTEN

Von der inneren Weisheit
und dem wahren Leben im Liebegeist
Alle Dinge gehen aus der göttlichen Liebe hervor, und sind daher „in eben dieser göttlichen Liebe so vollkommen einig vorhanden, wie diese göttliche Liebe in Sich Selbst vollkommen einig ist.
Wenn jemand hier allenfalls einwenden möchte, ja muss denn gerade alles aus der göttlichen Liebe hervorgegangen sein? Gott ist ja auch die allerhöchste Weisheit. Ist es daher nicht füglicher, statt der Liebe Seine endlose Weisheit als das hervorbringende Prinzip aller Dinge anzunehmen? Denn wir sehen ja doch solches unter uns Menschen, da es einige darunter gibt, die eine starke Portion Liebe besitzen, so zwar, dass sie alle ihre Brüder und Schwestern als allerexakteste Philanthropen  aufzehren möchten; wenn sie aber bei all ihrer Liebe nicht auch ihre Verstandeskräfte auszubilden suchten, so wird aus all ihrer großen Liebe spottwenig zum Vorschein kommen, während wieder andere Menschen, die nicht mit einer so starken Portion Liebe begabt sind, durch ihre vielseitigen Kenntnisse große Dinge ins Werk zu setzen vermögen. Solcher Einwurf wäre wohl einiger Beachtung wert, wenn Gott und ein Mensch ganz vollkommen eins und dasselbe wären. Da aber dazwischen ein starker Unterschied obwaltet, so ist auch bezüglich der Liebe in Gott und der Liebe im Menschen derselbe starke Unterschied vorhanden; obschon ein eigentlich rechter Mensch in diesem Punkt seinem Schöpfer am meisten ähnlich sein soll.
Bei Gott geht die Weisheit aus der Liebe hervor wie das Licht aus der Flamme. Wenn auch demnach die Dinge in ihrer Verschiedenartigkeit von der göttlichen Weisheit gestellt und geordnet werden, so kann aber doch niemand mehr in Abrede stellen, dass sie im Grund des Grundes endlich dennoch samt der Weisheit aus der Liebe hervorgehen müssen. Nun seht, da wir solches nun sicher einsehen, so muss es ja auch klar sein, dass vom innersten Grund betrachtet sich alles in der allergrößten Ordnung so ergreifen und finden muss, als wäre äußerlich kein Unterschied dazwischen. Die Mannigfaltigkeit der schon in der vorigen Mitteilung betrachteten Bäume läuft endlich im Samenkorn wieder in die alte, einfache, unterschiedslose, ewige Ordnung zusammen.
Wer sonach aus dieser inneren Ordnung, oder noch mehr deutsch gesprochen, wer aus seiner inneren Liebe zu Mir, als dem Grundkeim aller Wesen, sich selbst und alle die Wesen betrachtet, der wird überall eine und dieselbe Einheit und eine und dieselbe sich überall ergreifende Ordnung finden.
Betrachtet zum Beispiel den Baum des Lebens oder das geschriebene Wort, sowohl des Alten als des Neuen Testaments, wie viele tausend Äste, Zweige und Wurzeln mögt ihr wohl an demselben erkennen? Nicht eine Wurzel, nicht ein Ast, nicht ein Zweig sieht dem anderen ähnlich. Dem Äußeren nach scheint sich alles zu widersprechen. Lehrsätze über ein und dasselbe lauten verschieden. Prophetische Voraussagen über ein und dasselbe Ereignis sind von verschiedenen Propheten auch verschieden bezeichnet. Sogar die vier Evangelisten erzählen ein und dieselbe Sache mit anderen Worten und unterscheiden sich auch in verschiedenen Zahlenangaben. Ja sogar manche Orte geschehener Tatsachen werden häufig nicht völlig übereinstimmend bezeichnet, und so variieren auch nicht selten die Zahlen der Zeit. Wer nun von der äußerlichen Anschauung auf den inneren Zusammenhang kommen will, der wird den Weg doch sicher verfehlen und wird das Zentrum so schwer treffen, wie jemand, der von außen einen Baum anbohren und behaupten möchte, wie er da den Bohrer angesetzt habe, so müsse er damit bis zum Kern dringen. So er aber hernach den Gang seines Bohrers untersuchen wird, da wird sich doch sicher zeigen, dass er mit seinem Bohrer den Kern um mehrere Zoll verfehlt hat. Wenn er aber den Baum eher spaltet und bohrt dann vom Kern nach außen, wird er da wohl möglicherweise je die Rinde verfehlen können? Warum denn nicht? Weil im Kern alles in eins zusammenläuft. Aber im Äußeren ist der Kern durchaus nicht zu finden. Es könnte jemand nur, wie ihr zu sagen pflegt, durch einen blinden Zufall mit seinem Bohrer das Zentrum treffen. Was wird ihm aber solches wohl nützen? Wird er darum nun imstand sein, bei jedem Baum, den er wieder anbohrt, das Kernzentrum zu treffen?
Seht, also nützt auch die äußere, gewisserart antisolare Verstandesweisheit so viel als nichts. Ein solch äußerlicher Verstandesweiser wird beständig wie ein Blinder herumtappen, und alles wird nur ein halbes Erraten, aber nie eine volle, innerlich überzeugende Gewissheit sein. Wer aber mit seinem Bohrer auf dem solaren Weg die gespalteten Bäume vom Kern aus anbohrt, kann der je die Rinde verfehlen?
Seht, das ist der richtige Schlüssel, nicht nur allein zur Beleuchtung und Eröffnung der wahren, inneren Weisheit bezüglich der Religion der Bewohner unseres siebten Sonnengürtels, sondern für euch auch noch um vieles mehr bezüglich eurer geoffenbarten Religion und auch hinsichtlich dieser gegenwärtigen neuen Veroffenbarung, damit ihr dann durch eben diesen Schlüssel, oder wahren, inneren Weisheitsbohrer, nicht nur allein das Geoffenbarte, sondern auch alle Dinge und Erscheinungen von dem wahren, inneren, in sich allenthalben einigen, sich nie widersprechenden Grund und Hauptstandpunkt der inneren Weisheit, also aus dem Zentrum eurer Liebe zu Mir, betrachten könnt.
Derjenige, der vom Zentrum aus bohrt, kann unmöglich je die Rinde des Baums verfehlen, fürs erste, weil die Rinde den ganzen Baum umgibt, und fürs zweite, weil vom Zentrum aus bis zum umgebenden Kreis allzeit ein gerader und sicherer Weg führt. Wer aber das Zentrum eines Kreises nicht hat, der wird dasselbe vom Kreis aus allergenauest wohl schwerlich finden, weil er vom Kreis aus das Zentrum wird suchen müssen.
Es wird aber jemand sagen, es ist alles gut und wahr; wenn man aber einen Baum erst über den Kern spalten muss um dann vom Kern aus zu bohren, so ist das doch eine schwierige Arbeit! Und Ich sage: Allerdings! Denn zur Erforschung der Wahrheit und allzeitigen Untrüglichkeit wird auch sicher mehr erfordert als zur Erfindung einer oder der anderen Lüge. Soll man aber darum sich scheuen, die reine Wahrheit zu suchen, weil zu ihr der Weg schwerer ist als zur Lüge? Ich meine, solches wird wohl niemand behaupten. Also ist es auch mit der Spaltung des Baums. Es ist da leichter, von außen nach innen zu bohren und dann zu sagen man hat das Zentrum getroffen, als den Baum zu spalten und vom Zentrum nach außen zu bohren.
Dessen ungeachtet aber erfordert die Wahrheit solches. Und man muss das Leben suchen, wo es ist, und dann vom Leben ausgehen, nicht aber da, wo es nicht ist, und somit als Toter vom Tod aus das Leben finden und ergründen wollen.
Wer sonach den rechten Weg gehen will, der muss allzeit den solaren , aber nicht den antisolaren gehen. Und der Baum muss gespalten sein, damit des Lebens Zentrum an das Licht kommt.
Dieses wäre alles gut, wird so mancher sagen; wie sollen wir aber den Baum spalten? Zuoberst sitzt die Krone, und zuunterst sind die Wurzeln! Ich aber sage, sägt die  Krone ab, tut die Wurzeln hinweg, so bleibt euch der Stamm, und dieser kann mit leichter Mühe gespalten werden.
Aber hier werdet ihr schon wieder sagen, was will dann das bedeuten? Wir verstehen es nicht! Was ist die Krone des Baums? – Das sind die weltlichen Wisstümlichkeiten, die im äußeren Verstand haften.
Was werden etwa die Wurzeln sein? – Ihr dürft nicht weit greifen, sondern nur die Frage beantworten zu welchem Zweck oder aus welchem Grund die Menschen ihren Verstand mit allerlei Weltkenntnissen bereichern? Und die Wurzeln werden ganz sichtbar vor euch auftauchen. Solltet ihr etwa die schwere Antwort nicht finden, so kann Ich sie euch sagen! Nämlich, dass darunter all die weltlichen Interessen und Vorteile verstanden werden. Diese weltlichen Interessen und Vorteile vereinigen sich zu einem Kern des Baums, der da bezeichnet die Eigenliebe des Menschen, welche Eigenliebe sich dann in den Ästen und Zweigen in allerlei nützliche Verstandeswissenschaften ausbreitet, damit sie durch dieselben stets mehr Nahrung für ihr eigenes Wesen finden möchte.
Sonach wird dieses Bild jetzt etwa doch verständlich sein. Die Krone hinweg, die Wurzeln hinweg, den Stamm spalten, damit die Eigenliebe nach außen gekehrt und zur Liebe zum Nächsten und zu Gott wird und also umgekehrt den Strahlen der ewigen Lebenssonne ausgesetzt wird! Seht, so nach außen gekehrt wird die Liebe ersichtlich und kann in sich selbst erforscht werden; und wo immer da ein Bohrer der inneren Weisheit angesetzt wird, wird er ausgehen vom erleuchteten Grund und wird die Rinde oder den äußeren Kreis allzeit in der geradesten Richtung treffen, ohne denselben mühsam zu suchen.
Einige aber werden sagen, das Bild ist gut und lässt sich hören, aber bei solcher Operation ist der Baum ja hin! – Und Ich sage euch: Wenn dieser äußere Baum nicht hin wird, so wird der innere mit der Zeit samt dem äußeren zugrunde gehen. Geht aber der äußere des inneren wegen zugrunde, so wird der innere erhalten. Denn wer das Leben liebt, der wird es verlieren; wer es aber flieht, der wird es überkommen. Das heißt, mit anderen Worten gesagt: Wer das Weltleben liebt, der wird des Geistes Leben verlieren; wer aber des Geistes Leben liebt und verachtet das Leben der Welt, der wird das Leben des Geistes überkommen.
Wer also das Leben des Geistes liebt und dasselbe überkommt, der hat sich selbst gespalten und hat sein innerstes Leben dem Licht aus Mir geöffnet. Und dieses Licht ist der wahre Weisheitsbohrer, der alles durchdringt, und das zwar von demjenigen Punkt aus, allda alle Dinge und Wesen in eins zusammenlaufen.“

[NS.01_069,05-070,10]

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