Jakob Lorber zum Sterbevorgang des Menschen - Der Prophet Jakob Lorber

Direkt zum Seiteninhalt

Der Sterbevorgang


„Seht, da sind wir schon – und seht, da liegt auch noch unser Mann auf seinem  Lager; denn solange noch eine Wärme im Herzen ist, löst der Engel die Seele nicht vom Leibe. Diese Wärme ist der Nervengeist, der zuvor von der Seele ganz aufgenommen werden muß, bis die volle Löse vorgenommen werden kann.“ [BM.01_001,07]

„Wenn wir aber von Gott aus berufen werden, diese Welt zu verlassen, dann wird zuvor ein Engel Gottes mit uns ebenfalls machen, wie dieser nun tut mit der Speise, das heißt, er wird in einem Augenblick alles dem Geiste Angehörige aus der Materie frei machen, die Materie der vollen Auflösung übergeben, die Seele aber und ihren Lebensgeist, sowie alles, was in der Materie der Seele angehört, in vollkommenster Menschengestalt vereinigend in die reine Welt der Geister hinüberführen nach dem ewigen, unwandelbarsten Willen Gottes!“ [GEJ.02_195,02]

„Also sieht es diesseits aus; nun aber machen wir auch einen Blick ins Jenseits. Siehe, da stehen drei verhüllte Engel am entsprechend gleich aussehenden Lager unseres Sterbenden und betrachten unsern Mann mit unverwandtem Blick.“ [JS.01_001,06f]


Mathaels Beobachtungen:

Mein Vater meinte ganz zuverlässig, daß ich im Hause des Nachbarn mit Geistern zusammenkommen werde, die mir zur Heilung der todkranken Nachbarin etwas ansagen würden, und so ward ich denn NOLENS VOLENS mitgenommen. Mein Vater hatte sich auch nicht geirrt; ich bekam wirklich eine Menge Geister – sicher gute und schlechte durcheinander – zu Gesichte. Aber mit dem Anraten irgendeines heilenden Mittels hatte es diesmal seine geweisten Wege; denn ein großer Geist, mit einem lichtgrauen Faltenkleid angetan, sagte zu mir, als ich ihn nach dem Wunsche meines Vaters um ein Heilmittel anging: ,Sieh hin auf die Verscheidende! Ihre Seele entsteigt ja bereits ihrer Brustgrube, die der gewöhnliche Ausweg der Seele aus dem Leibe ist!‘ Ich besah mir nun die Sterbende näher. Aus der Brustgrube erhob sich wie ein weißer Dunst, breitete sich über der Brustgrube immer mehr aus und wurde auch stets dichter; aber von irgendeiner menschlichen Gestalt merkte ich lange nichts. Als ich das so etwas bedenklich betrachtete, da sagte der lichtgraue große Geist zu mir: ,Sieh nur zu, wie eine Seele ihr irdisches Wohnhaus für immer und ewig verläßt!‘ Ich aber sagte: ,Warum hat denn diese scheidende Seele keine Gestalt, während doch ihr, die ihr auch pure Seelen seid, ganz ordentliche Menschengestalten habt?‘ Sagte der Geist: ,Warte nur ein wenig noch; wenn die Seele erst ganz aus dem Leibe sein wird, wird sie sich schon ganz fein zusammenklauben und wird dann auch recht schön und freundlich anzusehen sein!‘
Während ich solchen Dunst über der Brustgrube der Kranken sich immer mehr ausbreiten und verdichten sah, lebte der Leib noch immer und stöhnte zuweilen wie jemand, der von einem schweren Traume geplagt wird. Nach etwa dem vierten Teile der Zeit einer römischen Stunde schwebte der Dunst in der Größe eines zwölfjährigen Mädchens etwa zwei Spannen hoch über des sterbenden Weibes Leib und war mit dessen Brustgrube nur noch durch eine fingerdicke Dampfsäule verbunden. Die Säule hatte eine rötliche Färbung, verlängerte sich bald und verkürzte sich auch wieder dann und wann; aber nach jedesmaligem Verlängern und abermaligem Verkürzen ward diese Dampfsäule dünner, und der Leib trat während der Verlängerungen stets in sichtlich schmerzhafte Zuckungen.
Nach etwa zwei römischen Stunden der Zeit nach ward diese Dampfsäule von der Brustgrube ganz frei, und das unterste Ende sah aus wie ein Gewächs mit sehr vielen Wurzelfasern. In dem Augenblick aber, als die Dampfsäule von der Brustgrube abgelöst ward, bemerkte ich zwei Erscheinungen. Die erste bestand in dem völligen Totwerden des Leibes, und die andere darin, daß die ganze weißneblige Dampfmasse sich in einem Augenblick in das mir nur zu wohlbekannte Weib des Nachbarn umwandelte. Alsogleich umkleidete sie sich mit einem weißen, faltenreichen Hemde, grüßte die umstehenden freundlichen Geister, fragte aber auch zugleich deutlich, wo sie nun sei, und was mit ihr vorgegangen sei; auch verwunderte sie sich gleich höchlichst über die schöne Gegend, in der sie sich nun befinde.
Von der Gegend aber nahm ich selbst nirgends etwas wahr. Ich fragte darum meinen großen Lichtgrauen, wo denn die so schöne Gegend zu sehen wäre. Da sagte der Geist: ,Diese kannst du aus deinem Leibe heraus nicht sehen; denn sie ist nur ein Produkt der Lebensphantasie der Verstorbenen und wird erst nach und nach in eine größere und gediegenere Realität übergehen!‘ Mit diesen Worten ward ich abgefertigt, und der Geist redete darauf in einer mir ganz unverständlichen Zunge; er muß aber der nun freien Seele etwas sehr Angenehmes gesagt haben, weil sich darauf ihr Angesicht gar so aufgeheitert hatte.
Merkwürdig aber kam es mir vor, daß die nun freie Seele sich gar nicht mehr darum zu kümmern schien, was da mit ihrem früheren Leibe geschehen ist; sie unterhielt sich sichtlich gleich sehr gut mit den Geistern, – aber alles in einer mir ganz fremden Zunge. Mit der Weile wurden auch die beiden verstorbenen Töchter und die beiden Mägde herbeigeführt und grüßten ihre frühere Mutter und Herrin mit aller Freundlichkeit, – aber nicht, als wären die ersten beiden ihre Töchter und die andern beiden ihre früheren Dienstmägde gewesen, sondern als echte, wahre, gute Freundinnen und Schwestern, und zwar in einer mir fremden und ganz unverständlichen Zunge. Keine aber schien sich im geringsten um ihren früher doch sicher sehr in Ehren gehaltenen Leib zu kümmern; auch schienen sie niemanden von uns noch Sterblichen wahrzunehmen.
Merkwürdig war es, daß die Seele des eben verstorbenen Weibes gleich nach dem Austritte aus dem Leibe wohl noch ganz gut hebräisch ihre Freude über den Anblick der schönen Gegend zu erkennen gab; als sie sich aber gewisserart mehr gesammelt und kondensiert hatte, bediente sie sich einer Sprache, die meines schwachen Wissens nun wohl auf der ganzen Erde und unter allen ihren sterblichen Menschen nirgends bestehen dürfte.
Ich wandte mich darum wieder an meinen Lichtgrauen und fragte ihn: ,Was ist das, was nun die fünf neu in eurem Reiche Angekommenen miteinander besprechen, und in welcher Zunge?‘
Sagte der Lichtgraue: ,Was du doch für ein neugieriger Knabe bist! Sie reden ja eben deinetwegen diese eigene Geisterzunge, weil sie von dir nicht verstanden werden wollen; denn sie wissen und fühlen es genau, daß du hier weilest als einer, der aus seinem Leibe die Geister sehen und sprechen kann gleich einem Birmanen in Hochindien. Sie wissen und fühlen es auch, daß ihre Leiber noch hier sind; aber diese kümmern sie nicht mehr als wie dich ein alter Rock, den du als gänzlich zerrissen weggeworfen hast. Du dürftest ihnen nun alle Reiche der Welt mit der Aussicht auf ein tausend Jahre langes Leben voll Gesundheit bieten, so würden sie doch nimmer in ihre Leiber zurückkehren! Das aber, was sie miteinander reden, würdest du nicht verstehen, und wäre es auch in deiner Zunge; denn sie sehen nun eben in dieser Zeit, daß der große Verheißene bereits als Mensch, wennschon noch erst als ein zartes Kind, in der materiellen Welt sich befindet. Wenn du ein Mann bist, wirst du Ihn erkennen in Galiläa.‘
Ich möchte nun nur das ein wenig mehr erläutert haben, warum die Seele im Moment des Scheidens als ein Dunst der Brustgrube entsteigt, und warum nicht gleich als eine ausgebildete Menschenform. – Herr, Du liebevollster, Du allweisester Meister alles Lebens, möchtest Du uns darüber wohl eine Erklärung geben?“
Sage Ich: „Die sollet ihr sogleich haben; und so höret denn! Der ersichtliche Dunst – in dem Maße (Form) eines Menschen doch immerhin – ist eine Folge der großen Beklommenheit der Seele im Moment des Scheidens, in welchem sie vor lauter Furcht und Entsetzen auf einige Augenblicke ganz bewußtlos wird.
Es ist eine außerordentliche Tätigkeitsanstrengung der scheidenden Seele, sich zu erhalten in ihrer sich selbst bewußten Existenz. Alle ihre Teile werden in eine außerordentlich heftige Vibration gesetzt, daß darob auch das schärfste geistersehende Auge irgendeine bestimmte Form nicht entdecken kann.
Ein Beispiel in der Natur böte die tiefklingende Saite einer Harfe. Wenn du sie stark angeschlagen hast, so wird sie sich eine Zeitlang also schnell hin und her schwingen, daß du ihren Körper auch nur als einen durchsichtigen Dunstfaden sehen wirst; hat die Saite aufgehört mit dem Schwingen, dann wird infolge ihrer Ruhe auch ihre eigentliche Form wieder ersichtlich.
Eine gleiche Erscheinung hast du beim Anblick einer summenden Fliege, deren Flügel du erst dann als Flügel wahrnehmen kannst, wenn die Fliege zu fliegen und dadurch zu summen aufgehört hat; im fliegenden Zustand hast du sie nur wie mit einem kleinen Dunstwölkchen umgeben geschaut.
Wenn die Seele im Scheidemomente austritt aus dem zerstörten, zerrissenen und fürderhin nicht mehr brauchbaren Leibe, so vibriert sie in oft eine Spanne langen Schwingungen, und zwar so schnell, daß du tausend Schwingungen als hin und her und auf und ab in einem Augenblicke annehmen kannst; da ist es dann während der Dauer solcher Seelenvibration dem disponierten Beschauer rein unmöglich, nur irgend etwas von der seelischen Menschenform auszunehmen. Nach und nach beruhigt sich die Seele mehr und mehr und wird dadurch auch als menschliche Form ersichtlich; tritt sie aber endlich ganz in den Zustand der Ruhe zurück, die gleich nach der völligen Ablösung eintritt, so ist sie dann auch sogleich in der vollkommenen Menschenform zu erschauen, vorausgesetzt, daß sie sich zuvor durch allerlei Sünden nicht zu sehr entstellt hat. – Verstehst du nun solches?“
Sagt Mathael: „O Herr, Du Allerweisester, wie sollte ich nun das nicht bestens verstehen? Du hast mir diese Erscheinung ja als mit den Händen zu greifen klargemacht! Aber nun möchte ich – Herr, vergib mir meine Wißbegier – denn auch noch dazu wissen, was für eine Zunge die fünf Seelen miteinander geredet haben! Ich selbst bin doch auch mehrerer Zungen fähig; aber dem ungeachtet verstand ich keine Silbe, was diese miteinander geredet haben. Besteht in dieser Welt noch irgendeine ähnliche Zunge?“
Sage Ich: „O ja, die birmanischen Priester sind im Besitze dieser Zunge, und es ist das die Ursprache der ersten Menschen dieser Erde gewesen; eure, die altägyptische, und mitunter auch die der Griechen, stammen alle von dieser einen und ersten
Menschensprache nahe vollkommen ab. Meinet ihr wohl, daß ihr verständet den Vater Abraham, Isaak und Jakob, so sie hier wären und redeten also, wie sie dereinst geredet haben? O mitnichten, nicht ein Wort würdet ihr von ihnen verstehen! Verstehet ihr doch schon die Bücher Mosis schwer, die doch nahe um tausend Jahre jünger sind denn Abraham, um wieviel weniger die Erzväter selbst! Ja, es hat sich bei den Juden gar vieles sehr verändert, also auch die Sprache, ohne eine zweite babylonische Sprachenverwirrung. – Verstehest du nun auch das?“
Sagt Mathael: „O Herr, auch darin bin ich nun im reinen; ich glaube, daß es auch die andern alle sind, und so möchte ich Dich im Namen aller wieder um weitere Belehrungen anflehen!“
Sage Ich: „Diese werden nicht ausbleiben; aber du hast noch eine Menge Erfahrungen im Bereiche des Sterbens gemacht und mußt uns daher noch einige der denkwürdigsten deiner Brüder wegen erzählen. Was dir oder jemand anderem dabei unklar ist, das werde Ich euch dann schon wieder aufhellen.
Ich habe euch vorher das Werden gezeigt bis auf den Punkt des Überganges durch den Abfall der Materie. Der leibliche Tod ist noch immer der Schrecken aller Kreatur. Den Grund davon habe Ich euch auch in aller Kürze kundgegeben; derselbe wird aber bei Gelegenheit noch ausführlicher dargetan werden. – Aber nun mache du dich nur wieder an deine Erzählungen!“
Sagt Mathael: „O Herr, nur auf Dein so überliebevolles Verlangen will ich noch mehrere Fälle also erzählen, wie ich sie mit meiner Seele Augen geschaut habe!“ [GEJ.04_128,05-129,11]

Welche Menschen aber schon bei ihrem Leibesleben ihr Leben durch Selbstverleugnung, Demut und Liebe zu Mir in Mir vereinigt haben, wahrlich, diese werden von des Leibestodes Angst nicht viel verspüren. Und wenn ihr irdisches Lebensschifflein einmal an den trüglichen Weltklippen zerstäuben wird, so wird der Wanderer schmerz- und sorglos sagen: „Ich bin mit meiner Habe im trockenen!“ – Bemüht euch daher, euer Leben schon hier zu vereinen in Mir, so wird euch der Tod des Leibes dereinst vorkommen wie eine große aufgehende Sonne dem nächtlichen Wanderer an einem Meeresgestade, welches voller Klippen und Abgründe ist. Glaubt es Mir, dass es so ist, so wird niemand mehr euch den inneren Frieden rauben! Das sagt der Herr des Lebens und des Todes! Amen. Amen. Amen!“ [HiG.01_41.04.29,07-10]

Adam: „Lamech, die größte Wohltat des Vaters an uns ist die Abnahme des schweren, prüfenden Leibes vom freien Geist! Dessen sollst du dich freuen! Mag deinem noch irdischen Auge des Leibes Tod auch düster erscheinen, so erscheint er aber dennoch dem, der da abberufen wird in der Liebe zum Vater, als eine allerhöchste Wollust! Sieh, in der Liebewolllust deiner Eltern warst du gezeugt; aber in der höchsten Liebewohllust wirst du als Geist aus dem schweren Fleisch gehoben und lebst dann ein allervollkommenstes ewiges, mächtiges, kräftiges, wirksamstes Leben, dessen Süße mit nichts Irdischem zu vergleichen ist! Was du immer auf Erden angefangen hast, das wirst du erst im Geist auf der geistigen ewigen Erde vollenden. Darum sollst du nicht träge sein auf Erden; denn nicht ein von dir berührtes Sandkörnchen geht verloren.“ [HGt.03_120,17-20]


Zurück zum Seiteninhalt