Seelenlampe der Selbsterkenntnis - 2. Kor 12 - Der Prophet Jakob Lorber

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SCHRIFTTEXTERKLÄRUNG

Die Seelenlampe der Selbsterkenntnis

Erklärungen zu 2. Kor 12


Gebe dieses Meinem lieben A. an seinem Leibesnamenstag, da er wissen möchte, warum die Schwachheit besser ist denn die Stärke.
Höre du, Mein geliebter Freund und Bruder in Meiner Liebe zu dir! Was da deine drei dir etwas dunkel vorkommenden Texte Meines lieben Paulus aus dem 12. Kapitel des zweiten Briefs an die Korinther betrifft, so sind sie von Mir auch schon im Evangelium wie auch in den Propheten hie und da ausgesprochen, besonders aber im Hiob, im Jeremias und in den Bußpsalmen Davids.
Dessen ungeachtet aber sind sie für ein noch etwas schwaches Geistesauge ein wenig dunkel. Daher will Ich dir denn auch nun zu deinem Tag eine kleine Lampe, gefüllt mit dem Gnadenöl aus Meiner Liebe, geben. Diese Lampe wird dir dergleichen Texte so herrlich erhellen, dass sie dir wie von der Sonne durchsichtig erleuchtet vorkommen werden. Und so höre denn.
Das aber ist und darin besteht die Lampe: Als Ich Selbst einmal zu Meinen Fleischzeiten auf der Erde vor den Juden, Schriftgelehrten und Pharisäern die wahre Rechtfertigung vor Gott darstellte, da sagte Ich folgendes Gleichnis, welches aus dem Leben gegriffen war: Ganz vorne vor dem Allerheiligsten brachte ein gar vornehmer Pharisäer dem Herrn sein Dankgebet dar, indem er laut so sprach: O Herr! Ich danke dir, o Herr, dass Du mir solche große Stärke verliehen hast, derwegen ich seit meinen Kinderjahren Dir allergetreust dienen konnte und habe mich noch nie an einem Gesetz versündigt gegen Dich, o Herr! Denn ich habe die Gesetze Mosis gehalten bis auf ein Häkchen. Ich verrichtete meine Standespflichten genau, ich opferte Dir allzeit reichlichst und gab von allem den Zehnten pünktlich genau. Ebenso auch verunreinigte ich mich nie, weder am Morgen, noch am Mittag, noch am Abend. Und den Sabbat habe ich ebenfalls noch nie mit einem Finger entheiligt. O darum danke ich Dir, mein Gott, nun mit vollster, überzeugender Inbrunst aller meiner von Dir mir gütigst verliehenen Kraft, derwegen ich stets gerecht gewandelt habe vor Dir und bin gerechtfertigt vom Scheitel bis zur Zehe und bin nicht ein Sünder gleich den gemeinen Juden, gleich den Landstreichern, gleich den Tagdieben, Räubern und Mördern, gleich den Hurern und Ehebrechern, gleich den Sabbatschändern und Schweinefressern und nicht im geringsten gleich all den öffentlichen Sündern, Gauklern, Tänzern, Komödianten, Zauberern, Zöllnern und niedrigen Wucherern und nicht im geringsten gleich den Samaritern und dergleichen mehr. – Das war so etwa das Dankgebet des gerechten Pharisäers.
Aber ganz im Hintergrund des Tempels stand auch ein sündiger Zöllner. Dieser getraute sich kaum seine Augen aufzuheben und sprach in der völligen Zerknirschung seines Gemütes: O Herr! Ich armer, schwacher Sünder bin nicht wert, Dein Heiligtum zu schauen, nicht wert, auch nur am letzten Platz Deines Tempels zu stehen! Sei, o Herr, mir armem, schwachem Sünder aber gnädig und barmherzig, wenn ich je noch einer Erbarmung im allergeringsten würdig bin! – Hier schlug der Zöllner sich auf die Brust und verließ weinend den Tempel.
Wer von diesen beiden ging nun wohl gerechtfertigt aus dem Tempel? – Ich sage dir jetzt, wie Ich es damals gesagt habe: Keineswegs der prahlerische Pharisäer, der Mir seine Gerechtigkeit vorrechnete und sich für viel besser hielt als alle anderen; sondern der schwache, sündige Zöllner, der sich für schlechter hielt als alle anderen. Darum kam Ich später auch in sein Haus und aß und trank mit ihm und nahm ihn als einen Bruder zu Mir und Meinen Brüdern auf.
Nun sieh, wenn demnach der Zöllner Mein Freund wurde, der Pharisäer aber gerade das Gegenteil, so wird es doch etwa klar sein, warum Paulus spricht: Auf dass ich mich nicht der hohen Offenbarung überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich ein Engel Satans, damit er mich mit Fäusten schlage. Desgleichen spricht auch Hiob: Was ist wohl leichter, als sich in einem hohen Amt zu überheben und sich für besser zu halten denn alle seine Brüder, denen ein solches Amt nicht zuteil ward!? Was aber ist für des Menschen Geist wohl auch gefährlicher als eben solch eine gar leicht mögliche Überhebung?!
Darum also war es auch für Paulus und jeden seines Amtes nötig, eine beständige Mahnung im Fleisch zu haben, die so zu ihm sprach: Sieh, du bist nur ein Mensch und durchaus kein Gott! So oft du fallen wirst vor Mir, will Ich dich wieder aufrichten, damit du gedenkst, dass du nur ein Mensch seist! – Paulus merkte in sich solchen Jammer. Darum bat er Mich auch dreimal heftig, dass Ich ihn von dieser Probe befreien soll.
Ich aber sprach zu ihm darauf: Lass dir an Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft ist nur in den Schwachen mächtig, d.h. so sie ihre Schwäche lebendig erkennen, wie denn auch Paulus darauf bekennt, da er spricht: Also will ich mich denn am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass allzeit die Kraft Christi bei mir wohne! Und darum denn bin ich, Paulus, nun auch stets guten Muts in meinen Schwachheiten, in Schmach, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen. Denn ich weiß es ja, dass ich nur dann stark bin, so ich schwach bin! Warum denn so? – Weil Paulus wohl wusste, dass Ich dem Schwachen und dadurch Demütigen stets näher bin als einem Starken oder sich wenigstens törichterweise für stark Wähnenden.
Wer fällt wohl öfter im Gehen als die Kindlein?! Und dennoch sage Ich: „So ihr nicht werdet wie die Kleinen, werdet ihr nicht eingehen in Mein Reich der Himmel!“ – Daraus kannst du auch ersehen, warum sich der Paulus seiner Schwäche rühmte.
Aber auch daraus [kannst du ersehen], dass der gute Hirte die 99 gerechten Schafe verlässt und geht suchen das hundertste Verlorene, und so Er es findet, es sobald unter der größten Freude auf Seine Achsel legt und es nach Hause trägt! – Und endlich kannst du den Schwachheitsruhm des Paulus auch daraus gar deutlich verstehen, dass der Vater nur dem verlorenen Sohn entgegenkam, ihn aufnahm, ihm dann sogar ein großes Gastmahl bereitete, ihn schmückte mit dem Herrnring und ihn setzte in die größten Ehren.
Ich meine, Mein Freund und Bruder A., mit dieser Lampe beleuchtet, wird es dir nicht mehr schwer werden, dergleichen Texte aus dem Grund lebendig zu verstehen. – Ich, dein Vater und Gott Jesus, sage dir aber noch hinzu: Wer da kämpft in seiner Schwäche und siegt, ist Mir ums Tausendfache lieber als ein Starker, dem der Sieg ein leichtes ist. Wenn der Schwache fällt, da will Ich ihn aufrichten, wie oft er auch immer fällt. Aber der Starke mag sich selbst aufrichten, so er gefallen ist.
Dies also sei dir ein gutes Bindeband von Mir, Jesus, an deinem Tag. Denn Ich binde dich dadurch in deiner Schwäche an Meine Stärke. Des sei völlig versichert zeitlich wie ewig! – Ich, dein lieber Vater Jesus! Amen.


Jakob Lorber am 21. April 1843, Himmelsgaben Bd.2, S.188.




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