Jakob Lorber Weihnachtszeit - Der Prophet Jakob Lorber

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Die Erzählung von der Empfängnis Maria bis zur Geburt Jesu


Die Ankündigung der Geburt des Herrn durch einen Engel. Marias demutvolle Ergebenheit.

An einem Freitage morgens aber nahm Maria abermals den Wasserkrug und ging hinaus, ihn mit Wasser zu füllen, und horch! – eine Stimme sprach zu ihr: „Gegrüßet seist du, an der Gnade des Herrn Reiche! Der Herr ist mit dir, du Gebenedeite unter den Weibern!“ Maria aber erschrak gar sehr ob solcher Stimme, da sie nicht wusste, woher sie kam, und sah sich darum auch behende nach rechts und links um; aber sie konnte niemanden entdecken, der da geredet hätte.
Darum aber ward sie noch voller von peinigender Angst, nahm eiligst den gefüllten Wasserkrug und eilte von dannen ins Haus. Als sie da bebend anlangte, stellte sie sobald den Wasserkrug zur Seite, nahm den Purpur wieder zur Hand, setzte sich auf ihren Arbeitssessel und fing den Purpur wieder gar emsig an fortzuspinnen.
Aber sie hatte sich noch kaum so recht wieder in ihrer Arbeit eingefunden, siehe, da stand schon der Engel des Herrn vor der emsigen Jungfrau und sprach zu ihr: „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast eine endlos große Gnade gefunden vor dem Angesichte des Herrn; siehe, du wirst schwanger werden vom Worte Gottes!“
Als Maria aber dieses vernommen hatte, da fing sie an, diese Worte hin und her zu erwägen, und konnte nicht erfassen ihren Sinn; darum sprach sie denn zum Engel: „Wie solle denn das vor sich gehen, bin ich doch noch lange nicht eines Mannes Weib und habe auch noch nie dazu eine Bekanntschaft mit einem Manne gemacht, der mich sobald nähme zum Weibe, auf dass ich gleich andern Weibern schwanger würde und dann gebäre ihnen gleich?“
Der Engel aber sprach zur Maria: „Höre, du erwählte Jungfrau Gottes! Nicht also solle es geschehen, sondern die Kraft des Herrn wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das da aus dir geboren wird, der Sohn des Allerhöchsten genannt werden! Du sollst Ihm aber, wann Er aus dir geboren wird, den Namen Jesus geben; denn Er wird erlösen Sein Volk von all den Sünden, vom Gerichte und vom ewigen Tode.“
Maria aber fiel vor dem Engel nieder und sprach: „Siehe, ich bin ja nur eine Magd des Herrn; daher geschehe mir nach Seinem Willen, wie da lauteten deine Worte!“ – Hier verschwand der Engel wieder, und Maria machte sich wieder an ihre Arbeit.


Marias kindlich-unschuldiges Gespräch mit Gott und die Antwort von oben.

Als aber darauf der Engel sobald wieder verschwand, da lobte und pries Maria Gott den Herrn und sprach also bei sich in ihrem Herzen: „O was bin ich denn doch vor Dir, o Herr, dass Du mir solche Gnade erweisen magst? – Ich solle schwanger werden, ohne je einen Mann erkannt zu haben; denn ich weiß ja nicht, was Unterschiedes da ist zwischen mir und einem Manne. Weiß ich denn, was das so in der Wahrheit ist: schwanger sein? O Herr! siehe, ich weiß es ja nicht! Weiß ich wohl, was das ist, wie man sagt: ,Siehe, ein Weib gebäret‘? – O Herr! siehe mich gnädig an; ich bin ja nur eine Magd von vierzehn Jahren und habe davon nur reden gehört – und weiß aber darum doch in der Tat nichts! Ach, wie wird es mir Armseligen ergehen, so ich werde schwanger sein – und weiß nicht, wie da ist solch ein Zustand! Was wird dazu der Vater Joseph sagen, so ich ihm sagen werde, oder er es etwa also merken wird, dass ich schwanger sei?! Etwas Schlimmes kann das Schwangersein ja doch nicht sein, besonders wenn eine Magd, wie einst die Sara, vom Herrn Selbst dazu erwählet wird? Denn ich habe es ja schon öfter im Tempel gehört, welch eine große Freude die Weiber haben, wenn sie schwanger sind! Also muss das Schwangersein wohl etwas recht Gutes und überaus Beseligendes sein, und ich werde mich sicher auch freuen, wann mir das von Gott gegeben wird, dass ich schwanger werde! Aber wann, wann wird das geschehen, und wie? – oder ist es schon geschehen? Bin ich schon schwanger, oder werde ich es erst werden?
O Herr! Du ewig Heiliger Israels, gebe mir, Deiner armen Magd, doch ein Zeichen, wann solches geschehen wird, auf dass ich Dich darob loben und preisen möchte!“
Bei diesen Worten ward Maria von einem lichten Ätherhauche angeweht, und eine gar sanfte Stimme sprach zu ihr: „Maria! sorge dich nicht vergeblich; du hast empfangen, und der Herr ist mit dir! – Mache dich an deine Arbeit, und bringe sie zu Ende, denn fürder wird für den Tempel keine mehr gemacht werden von dieser Art!“
Hier fiel Maria nieder, betete zu Gott und lobte und pries Ihn für solche Gnade. – Nachdem sie aber dem Herrn ihr Lob dargebracht hatte, erhob sie sich und nahm ihre Arbeit zur Hand.


Marias Besuch bei Elisabeth.

Maria wollte ihre Muhme Elisabeth besuchen und bat Joseph um Erlaubnis. Joseph aber gestattete ihr, solches zu tun (JJ, Kap. 5,13-14).
Bei der Elisabeth angelangt, d.h. bei ihrem Hause, pochte sie gar bald schüchternen Gemütes an die Türe nach dem Gebrauche der Juden.
Als aber Elisabeth vernommen hatte das schüchterne Pochen, gedachte sie bei sich: „Wer pochet denn da so ungewöhnlich leise? Es wird ein Kind meines Nachbars sein; denn mein Mann, der da stumm noch ist im Tempel und harret der Erlösung, kann es nicht sein! Meine Arbeit aber ist wichtig; solle ich sie wohl weglegen des unartigen Kindes meines Nachbars wegen? Nein, das will ich nicht tun, denn es ist eine Arbeit für den Tempel, und diese steht höher denn die Unart eines Kindes, das da sicher wieder nichts anderes will, als mich bekanntermaßen necken und ausspötteln. Daher werde ich fein bei der Arbeit sitzen bleiben und das Kind lange gut pochen lassen.“
Maria aber pochte noch einmal, und das Kind im Leibe der Elisabeth fing an vor Freude zu hüpfen, und die Mutter vernahm eine leise Stimme aus der Gegend des in ihr hüpfenden Kindes, und die Stimme lautete: „Mutter, gehe, gehe eiligst; denn die Mutter meines und deines Herrn, meines und deines Gottes ist es, die da pochet an die Türe und besucht dich im Frieden!“ –
Elisabeth aber, als sie das gehört hatte, warf sogleich alles von sich, was sie in den Händen hatte, und lief und öffnete der Maria die Türe, gab ihr dann nach der Sitte sogleich ihren Segen, umfing sie dann mit offenen Armen und sagte zu ihr: „O Maria, du Gebenedeite unter den Weibern! Du bist gebenedeit unter allen Weibern, und gebenedeiet ist die Frucht deines Leibes! O Maria, du reinste Jungfrau Gottes! – Woher wohl kommt mir die hohe Gnade, dass mich die Mutter meines Herrn, meines Gottes besucht?!“
Maria aber, die nichts von all den Geheimnissen verstand, sagte zu Elisabeth: „Ach liebe Muhme! – ich kam ja nur auf einen freundlichen Besuch zu dir; was sprichst du denn da für Dinge über mich, die ich nicht verstehe? – Bin ich denn schon im Ernste schwanger, dass du mich eine Mutter nennst?“
Elisabeth aber erwiderte der Maria: „Siehe, als du zum zweiten Male pochtest an die Türe, da hüpfte sobald das Kindlein, das ich unter meinem Herzen trage, vor Freude und gab mir solches kund und grüßte dich in mir schon zum voraus!“
Da blickte Maria auf zum Himmel und gedachte, was da der Erzengel Gabriel zu ihr geredet hatte, obwohl sie von all dem noch nichts verstand, und sprach: „O Du großer Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, was hast Du wohl aus mir gemacht? Was bin ich denn, dass mich alle Geschlechter der Erde selig preisen sollen?“
Elisabeth aber sprach: „O Maria, du Erwählte Gottes, trete in mein Haus und stärke dich; da wollen wir uns besprechen und gemeinschaftlich Gott loben und preisen aus allen unseren Kräften!“


Josephs Reiseanordnungen an seine 5 Söhne. Das tröstliche Zeugnis von oben. Die fröhliche Abreise.

»Höret mich an! Der Herr will es, dass wir alle nach Bethlehem ziehen müssen; also wollen wir uns denn auch Seinen Willen gefallen lassen und tun, was Er will! Du, Joel, sattle die Eselin für Maria, und nimm den Sattel mit der Lehne; und du, Joses, aber zäume den Ochsen, und spanne ihn an den Karren, in dem wir Lebensmittel mitführen wollen! Ihr drei, Samuel, Simeon und Jakob, aber bestellet den Karren mit haltbaren Früchten, Brot, Honig und Käse, und nehmet davon so viel, dass wir auf vierzehn Tage versehen sind; denn wir wissen es nicht, wann die Reihe an uns kommen wird, und wann wir frei werden, und was mit Maria geschehen kann unterwegs! Darum legt auch frische Linnen und Windeln auf den Karren!«
Die Söhne aber gingen und bestellten alles, wie es ihnen der Joseph anbefohlen hatte. Als sie aber alles nach dem Willen Josephs bestellt hatten, kamen sie zurück und zeigten es dem Joseph an. Und Joseph kniete nieder mit seinem ganzen Hause, betete und empfahl sich und all die Seinen in die Hände des Herrn. Als er aber mit solchem Gebete, Lobe und Preise zu Ende war, da vernahm er eine Stimme wie außerhalb des Hauses, welche da sprach: »Joseph, du getreuer Sohn Davids, der da war ein Mann nach dem Herzen Gottes! Als David auszog zum Kampfe mit dem Riesen, da war mit ihm die Hand des Engels, den ihm der Herr zur Seite stellte, und siehe, dein Vater ward ein mächtiger Sieger! Mit dir aber ist nun Der Selbst, der ewig war, der Himmel und Erde erschaffen hat, der zu Noahs Zeiten regnen ließ vierzig Tage und Nächte und ersaufen ließ alle Ihm widrige Kreatur, der dem Abraham gab den Isaak, der dein Volk führte aus Ägypten und mit Moses erschrecklich redete auf Sinai! Siehe, Der ist in deinem Hause nun leibhaftig und wird ziehen mit dir auch nach Betlehem: Daher sei ohne Furcht, denn Er wird es nicht zulassen, dass dir ein Haar gekrümmt werde!«
Als aber Joseph solche Worte vernommen hatte, da ward er fröhlich, dankte dem Herrn für diese Gnade und ließ dann sogleich alle zur Reise sich bereiten. Er nahm Maria und setzte sie so weich und bequem als nur immer möglich auf das Lasttier und nahm dann das Zügel in seine Hand und führte die Eselin. Die Söhne aber machten sich um den beladenen Karren und fuhren mit demselben nach der Eselin Getrabe. Nach einiger Zeit aber übergab Joseph das Zügel seinem ältesten Sohne, er aber ging Maria zur Seite, da diese manchmal schwach ward und sich im Sattel nicht selbst zu halten imstande war.


Maria auf der Reise. Der Eintritt der Wehen. Bergung Marias in einer nahen Höhle.

Also kam unsere frömmste Gesellschaft nahe bis auf sechs Stunden vor Bethlehem hin und machte da eine Rast im Freien. Joseph aber sah nach der Maria und fand, dass sie voll Schmerzes sein musste; - daher gedachte er ganz verlegen bei sich selbst: »Was kann das sein? Marias Antlitz ist voll Schmerzes, und ihre Augen sind voll Tränen! Vielleicht bedrängt sie ihre Zeit?«
Darum sah Joseph Maria noch einmal genauer an; und siehe, da fand er sie zu seinem großen Erstaunen lachend! Darum fragte er sie auch alsbald: »Maria, sage mir, was wohl geht in dir vor? - denn ich sehe dein Angesicht bald voll Schmerzes, bald aber wieder lachend und vor großer Freude glänzend!« Maria aber sagte darauf zu Joseph: »Siehe, ich habe nun zwei Völker vor mir! Das eine weinte, und da weinte ich notgedrungen mit. Das andere aber wandelte lachend vor mir, und ich ward voll Freude und Heiterkeit, und ich musste mitlachen und in seine Freude übergehen! - Das ist alles, was meinem Antlitze Schmerz und Freude entwand.«
Als Joseph solches vernommen hatte, da ward er wieder beruhigt, denn er wusste, dass Maria öfter Gesichte hatte; daher ließ er denn auch wieder zur Weiterreise aufbrechen und zog hinauf gen Bethlehem.
Als sie aber in die Nähe von Betlehem kamen, da sprach Maria auf einmal zu Joseph: »Höre mich an, Joseph! - Das in mir ist, fängt mich an ganz gewaltig zu bedrängen; lasse daher stille halten!
Joseph erschrak völlig vor diesem plötzlichen Ausrufe Mariens; denn er sah nun, dass das gekommen war, was er eben am meisten befürchtet hatte. Er ließ daher auch plötzlich stille halten. Maria aber sprach wieder alsbald zu Joseph: »Hebe mich herab von der Eselin: denn das in mir ist, bedrängt mich mächtig und will von mir! Und ich vermag dem Drange nicht mehr zu widerstehen!« Joseph aber sprach: »Aber um des Herrn willen! Du siehst ja, dass hier nirgends eine Herberge ist; - wo soll ich dich denn hintun?« Maria aber sprach: »Siehe, dort in den Berg hinein ist eine Höhle; es werden kaum hundert Schritte dahin sein! Dorthin bringet mich; - weiter zu kommen, ist mir unmöglich!«
Und Joseph lenkte alsbald sein Fuhr- und Reisewerk dahin und fand zum größten Glücke in dieser Höhle, da sie den Hirten zu einem Notstalle diente, etwas Heu und Stroh, aus welchem er sogleich für Maria ein notdürftiges Lager bereiten ließ.


Maria in der Grotte. Joseph auf der Suche nach einer Hebamme in Bethlehem. Das Zeugnis der Natur. Die Begegnung Josephs mit der Wehmutter.

Als aber das Lager bereitet war, brachte Joseph die Maria alsbald in die Höhle, und sie legte sich aufs Lager und fand Erleichterung in dieser Lage. Als Maria aber also erleichtert sich auf dem Lager befand, da sagte Joseph zu seinen Söhnen: »Ihr beiden Ältesten bewachet Maria und leistet ihr im Falle früher Not die gerechte Hilfe, besonders du, Joel, der du einige Kenntnis in diesem Fache dir durch den Umgang mit meinen Freunden in Nazareth erworben hast!« Den anderen dreien aber befahl er, den Esel und den Ochsen zu versorgen und den Karren auch irgend in der Höhle, welche so ziemlich geräumig war, unterzubringen.
Nachdem aber Joseph solches alles also wohl geordnet hatte, sagte er zur Maria: »Ich will nun gehen hinauf auf den Berg und will in der Stadt meines Vaters mir eine Wehmutter in aller Eile suchen und will sie bringen hierher, dir zur nötigen Hilfe!«
Nach diesen Worten trat Joseph alsbald aus der Höhle, da es schon ziemlich spät abends war und man die Sterne am Himmel recht wohl ausnehmen konnte. Was aber Joseph bei diesem Austritte aus der Höhle alles für wunderliche Erfahrungen gemacht hat, wollen wir mit seinen eigenen Worten wiedergeben, die er seinen Söhnen gab, als er mit der gefundenen Wehmutter in die Höhle zurückkehrte und Maria schon geboren hatte.
Die Worte Josephs aber lauten also: »Kinder, wir stehen am Rande großer Dinge! Ich verstehe nun dunkel, was mir die Stimme am Vorabende vor unserer Abreise hierher gesagt hat; wahrlich, wäre der Herr unter uns - wennschon unsichtbar - nicht gegenwärtig, so könnten unmöglich solche Wunderdinge geschehen, wie ich sie jetzt geschaut habe! Höret mich an! - Als ich hinaustrat und fortging, da war es mir, als ginge ich, und als ginge ich nicht! Und ich sah den aufgehenden Vollmond und die Sterne im Aufgange wie im Niedergange, und siehe, alles stand stille, und der Mond verließ nicht den Rand der Erde, und die Sterne am abendlichen Rande wollten nimmer sinken! Dann sah ich Scharen und Scharen der Vöglein sitzen auf den Ästen der Bäume; alle waren mit ihren Gesichtern hierher gewendet und zitterten wie zu Zeiten großer bevorstehender Erdbeben und waren nicht zu verscheuchen von ihren Sitzen, weder durch Geschrei noch durch Steinwürfe. Und ich blickte wieder auf dem Erdboden umher und ersah unweit von mir eine Anzahl Arbeiter, die da um eine mit Speise gefüllte Schüssel saßen, einige hielten ihre Hände unbeweglich in der Schüssel und konnten keine Speise aus der Schüssel heben. Die aber schon eher einen Bissen der Schüssel enthoben hatten, die hielten ihn am Munde und mochten nicht den Mund öffnen, auf dass sie den Bissen verzehrten; aller Angesichter aber waren nach aufwärts gerichtet, als sähen sie große Dinge am Himmel. Dann sah ich Schafe, die von den Hirten getrieben wurden; aber die Schafe standen unbeweglich da, und des Hirten Hand, der sie erhob, um zu schlagen die ruhenden Schafe, blieb wie erstarrt in der Luft, und er konnte sie nicht bewegen. Wieder sah ich eine ganze Herde Böcke, die hielten ihre Schnauzen über dem Wasser und vermochten dennoch nicht zu trinken, denn sie waren alle wie gänzlich gelähmt. Also sah ich auch ein Bächlein, das hatte einen starken Fall vom Berge herab, und siehe, das Wasser stand stille und floss nicht hinab ins Tal! - Und so war alles auf dem Erdboden anzusehen, als hätte es kein Leben und keine Bewegung. Als ich aber also dastand oder ging und nicht wusste, ob ich stehe oder gehe, siehe, da ersah ich endlich einmal wieder ein Leben!«
»Ein Weib nämlich kam den Berg entlang herabgestiegen gerade auf mich zu und fragte mich, als sie vollends bei mir war: 'Mann, wo willst du hingehen so spät?' Und ich sprach zu ihr: 'Eine Wehmutter suche ich; denn in der Höhle dort ist eine, die gebären will!' Das Weib aber antwortete und sprach: 'Ist sie aus Israel?' - Und ich antwortete ihr: 'Ja, Herrin, ich und sie sind aus Israel; David ist unser Vater!' Das Weib aber sprach weiter und fragte: 'Wer ist die, welche in der Höhle dort gebären will? Ist sie dein Weib, oder eine Anverwandte oder eine Magd?' Und ich antwortete ihr: 'Seit kurzem allein vor Gott und dem Hohenpriester nur mein Weib; sie aber war noch nicht mein Weib, da sie schwanger ward, sondern ward mir nur zur Obhut in mein Haus vom Tempel durch das Zeugnis Gottes anvertraut, da sie früher auferzogen ward im Allerheiligsten! Wundere dich aber nicht über ihre Schwangerschaft; denn das in ihr ist, ist wunderbar gezeugt vom Heiligen Geiste Gottes!' - Das Weib aber erstaunte sich darob und sagte zu mir: 'Mann, sage mir die Wahrheit!'- Ich aber sagte zu ihr: 'Komm, siehe, und überzeuge dich mit deinen Augen!'«


Die Erscheinung bei der Höhle. Das Traumgesichte der Wehmutter und ihre prophetischen Worte. Die Hebamme bei Maria und dem Kind.

Und das Weib willigte ein und folgte dem Joseph hin zur Höhle; da sie aber hin zur Höhle kamen da verhüllte sich dieselbe plötzlich in eine dichte weiße Wolke, dass sie nicht den Eingang finden mochten. Ob dieser Erscheinung fing sich die Wehmutter hoch zu verwundern an und sprach zu Joseph: »Großes ist widerfahren am heutigen Tage meiner Seele! Ich habe heute Morgen ein großwunderbarstes Gesicht gehabt, in dem alles sich also gestaltete, wie ich es jetzt in der Wirklichkeit gesehen habe, noch sehe und noch mehr sehen werde! Du bist derselbe Mann, der mir im Gesichte entgegenkam; also sah ich auch zuvor alle Welt ruhen mitten in ihrem Geschäfte und sah die Höhle, wie eine Wolke über sie kam, und habe mit dir geredet, wie ich nun geredet habe. Und ich sah noch mehreres Wunderbarstes in der Höhle, als mir meine Schwester Salome nachkam, der ich allein mein Gesicht am Morgen anvertraute! Darum sage ich denn nun auch vor dir und vor Gott, meinem Herrn: »Israel ist ein großes Heil widerfahren! Ein Retter kam, von oben gesandt, zur Zeit unserer großen Not!«
Nach diesen Worten der Wehmutter wich alsbald die Wolke von der Höhle zurück, und ein gewaltiges Licht drang aus der Höhle der Wehmutter und dem Joseph entgegen, so dass es die Augen nicht zu ertragen imstande waren, und die Wehmutter sprach: »Wahr ist also alles, was ich gesehen habe im Gesichte! O Mann, du Glücklicher, hier ist mehr denn Abraham, Isaak, Jakob, Moses und Elias!«
Nach diesen Worten aber fing das starke Licht nach und nach erträglicher zu werden, und das Kindlein ward sichtbar, wie es gerade zum ersten Male die Brust der Mutter nahm. Die Wehmutter aber trat mit Joseph nun in die Höhle, besah das Kindlein und dessen Mutter, und als sie alles auf das herrlichste gelöst fand, sagte sie: »Wahrlich, wahrlich, das ist der von allen Propheten besungene Erlöser, der da ohne Bande frei sein wird schon im Mutterleibe, um anzudeuten, dass er all die harten Bande des Gesetzes lösen wird! Wann aber hat jemand gesehen, dass ein kaum geborenes Kind schon nach der Brust der Mutter gegriffen hätte!? Das bezeugt ja augenscheinlichst, dass dieses Kind einst als Mann die Welt richten wird nach der Liebe, und nicht nach dem Gesetze! Höre, du glücklichster Mann dieser Jungfrau! Es ist alles in der größten Ordnung, darum lass mich aus der Höhle treten, denn mir fällt es schwer nun auf die Brust, da ich empfinde, dass ich nicht rein genug bin, um die zu heilige Nähe meines und deines Gottes und Herrn zu ertragen!«
Joseph erschrak völlig über diesen Worten der Wehmutter; sie aber eilte aus der Höhle ins Freie. Als sie aber aus der Höhle trat da traf sie draußen ihre Schwester Salome, welche ihr ob des bewussten Gesichtes nachgefolgt war, und sprach sogleich zu ihr: »Salome, Salome, komme und siehe mein Morgengesicht in der Wirklichkeit bestätigt! Die Jungfrau hat in der Fülle der Wahrheit geboren, was die menschliche Weisheit und Natur nimmer zu fassen vermag!« Salome aber sprach: »So wahr Gott lebt, kann ich eher nicht glauben, dass eine Jungfrau geboren habe, als bis ich sie werde mit meiner Hand untersucht haben!«


Marias Wohlwollen. Des Engels Weisung an Salome. Eine Warnung von oben.

Nachdem aber Salome solches geredet hatte, trat sie alsbald hinein in die Höhle und sprach: »Maria, meine Seele beschäftigt kein geringer Streit; daher bitte ich, dass du dich bereitest, auf dass ich mit meiner wohlerfahrenen Hand dich untersuche und daraus ersehe wie es mit deiner Jungfrauschaft aussieht!«
Maria aber fügte sich willig in das Begehren der ungläubigen Salome, bereitete sich und ließ sich untersuchen. Als aber Salome Marias Leib anrührte mit ihrer prüfenden Hand, da erhob sie alsbald ein gewaltiges Geheul und schrie überlaut: »Wehe, wehe mir meiner Gottlosigkeit wegen und meines großen Unglaubens willen, dass ich habe wollen den ewiglebendigen Gott versuchen! Denn sehet, sehet hierher, meine Hand verbrennt im Feuer des göttlichen Zornes über mich Elende!!!«
Nach diesen Worten aber fiel sie alsbald vor dem Kindlein auf ihre Knie nieder und sprach: »O Gott meiner Väter! Du allmächtiger Herr aller Herrlichkeit! Gedenke mein, dass auch ich ein Same bin aus Abraham, Isaak und Jakob! Mache mich doch nicht zum Gespötte vor den Söhnen Israels, sondern schenke mir meine gesunden Glieder wieder!«
Und siehe, alsbald stand ein Engel des Herrn neben der Salome und sprach zu ihr: »Erhört hat Gott der Herr dein Flehen; tritt zu dem Kindlein hin und trage Es, und es wird dir darob ein großes Heil widerfahren!«
Und als solches die Salome vernommen hatte, da ging sie auf den Knien vor Maria hin und bat sie um das Kindlein. Maria aber gab ihr willig das Kindlein und sprach zu ihr: »Es möge dir zum Heile gereichen nach dem Ausspruche des Engels des Herrn; der Herr erbarme Sich deiner.« Und Salome nahm das Kindlein auf ihre Arme und trug es kniend und sprach, sobald sie das Kindlein auf dem Arme hatte: »O Gott, Du allmächtiger Herr Israels, der Du regierst und herrschst von Ewigkeit! In aller, aller Fülle der Wahrheit ist hier Israel ein König der Könige geboren, welcher mächtiger sein wird denn da war David, der Mann nach dem Herzen Gottes! Gelobt und gepriesen seist Du von mir ewig!«
Nach diesen Worten ward Salome alsbald völlig wieder geheilt, gab dann unter der dankbarsten Zerknirschung ihres Herzens das Kindlein der Maria wieder und ging also gerechtfertigt aus der Höhle wieder. Als sie aber draußen war, da wollte sie alsbald laut zu schreien anfangen über das große Wunder aller Wunder und hatte auch ihrer Schwester sogleich zu erzählen angefangen, was ihr begegnet war.
Aber alsbald meldete sich eine Stimme von oben und sprach zu Salome: »Salome, Salome, verkündige ja niemandem, was Außerordentliches dir begegnet ist! Denn die Zeit muss erst kommen, wo der Herr von Sich Selbst zeugen wird durch Worte und Taten!« Hier verstummte alsbald die Salome, und Joseph ging hinaus und bat die beiden Schwestern, nun wieder in die Höhle zurückzutreten nach dem Wunsche Marias, auf dass da niemand etwas merken solle, was Wunderbarstes in dieser Höhle nun vorgefallen sei. Und die beiden traten wieder demütig in die Höhle.


Die Nachtruhe der Heiligen Familie in der Höhle. Die Lobgesänge der Engel am Morgen. Die Anbetung der Hirten. Des Engels aufklärende Worte an Joseph.

Als aber alle also in der Höhle versammelt waren, da fragten die Söhne Josephs ihren Vater (den Joseph nämlich): »Vater, was sollen wir nun tun; Es ist alles wohl versorgt! Die Reise hat ermüdet unsere Glieder; dürfen wir uns denn nicht zur Ruhe legen?«
Und Joseph sprach: »Kinder, ihr sehet ja, welch eine endlose Gnade von oben uns allen widerfahren ist; daher sollet ihr wachen und Gott loben mit mir! Ihr aber habt ja gesehen, was da der Salome begegnet ist in der Höhle, da sie ungläubig war; daher sollen auch wir nicht schläfrig sein wenn uns der Herr heimsucht! Gehet aber hin zu Maria, und rühret das Kindlein an! Wer weiß es, ob eure Augenlider nicht alsbald also gestärkt werden, als hättet ihr mehrere Stunden lang fest geschlafen!«
Und die Söhne Josephs gingen hin und rührten das Kindlein an; das Kindlein aber lächelte sie an und streckte Seine Händchen nach ihnen aus, als hätte Es sie als Brüder erkannt. Darob sie sich alle hoch verwunderten und sprachen: »Fürwahr, das ist kein natürliches Kind! - Denn wo hat jemand so etwas erlebt, dass jemand wäre von einem kaum geborenen Kinde gottseligst also begrüßt worden!-? Zudem sind wir nun auch im Ernste noch obendrauf plötzlich also gestärkt worden in allen unseren Gliedern, als hätten wir nie eine Reise gemacht und befänden uns daheim an einem Morgen mit völligst ausgerastetem Leibe!«
Und Joseph sagte darauf: »Sehet, also war mein Rat gut! Aber nun merke ich, dass es anfängt, mächtig kühl zu werden; daher bringet den Esel und den Ochsen hierher! Die Tiere werden sich um uns lagern und werden durch ihren Hauch und ihre Ausdünstung einige Wärme bewirken; und wir selbst wollen uns darum auch um die Maria lagern!«
Und die Söhne taten solches. Und als sie brachten die beiden Tiere in die Nähe Marias, da legten sich diese sogleich am Hauptteile des Lagers Mariens und hauchten fleißig über Maria und das Kindlein hin und erwärmten es also recht gut. Und die Wehmutter sprach: »Fürwahr, nichts Geringes kann das sein vor Gott, dem sogar die Tiere also dienen, als hätten sie Vernunft und Verstand!« Salome aber sprach: »O Schwester, die Tiere scheinen hier mehr zu sehen als wir! Was wir uns noch kaum zu denken getrauen, da beten schon die Tiere an Den, der sie erschaffen hat! Glaube mir, Schwester, so wahr Gott lebt, so wahr auch ist hier vor uns der verheißene Messias; denn wir wissen es ja, dass sich nie bei der Geburt selbst des größten Propheten solche Wunderdinge zugetragen haben!« Maria aber sagte zur Salome: »Gott der Herr hat dir eine große Gnade erwiesen, darum du solches erschaust, davor selbst meine Seele erbebt. Aber schweige davon, wie es dir zuvor der Engel des Herrn geboten hat; denn sonst könntest du uns ein herbes Los bereiten!« Salome aber gelobte der Maria zu schweigen ihr Leben lang, und die Wehmutter folgte dem Beispiele ihrer Schwester.
Und so ward nun alles ruhig in der Höhle. In der ersten Stunde aber vor dem Sonnenaufgange vernahmen alle gar mächtige Lobgesänge draußen vor der Höhle. Und Joseph sandte sogleich seinen ältesten Sohn, nachzusehen, was es sei, und wer so gewaltig singe die Ehre Gottes im Freien. Und Joel ging hinaus und sah, dass alle Räume des Firmaments erfüllt waren hoch und nieder mit zahllosen Myriaden leuchtender Engel. Und er eilte erstaunt in die Höhle zurück und erzählte es allen, was er gesehen. Alle aber waren hoch erstaunt über die Erzählung des Joel und gingen hinaus und überzeugten sich von der Wahrheit der Aussage Joels.
Als sie solche Herrlichkeit des Herrn gesehen hatten, da gingen sie wieder in die Höhle und gaben Maria auch das Zeugnis. Und Joseph sagte zur Maria: »Höre, du reinste Jungfrau des Herrn, die Frucht deines Leibes ist wahrhaftig eine Zeugung des Heiligen Geistes Gottes; denn alle Himmel zeugen nun dafür! Aber wie wird es uns gehen, so nun alle Welt notwendig erfahren muss, was hier vor sich gegangen ist? Denn dass nicht nur wir, sondern auch alle anderen Menschen nun sehen, welch ein Zeugnis für uns durch alle Himmel strahlt, das habe ich an vielen Hirten nun gesehen, wie sie ihre Angesichter gen oben gerichtet hielten und sangen mit gleicher Stimme mit den mächtigen Chören der Engel, welche nun Allen sichtbar erfüllen alle Räume der Himmel hoch und nieder bis zur Erde herab! Und ihr Gesang lautete wie der der Engel: 'Tauet herab, ihr Himmel den Gerechten! Friede den Menschen auf der Erde, die eines guten Willens sind! - Und - Ehre sei Gott in der Höhe in Dem, der da kommt im Namen des Herrn!' Siehe, o Maria, solches vernimmt und sieht nun die ganze Welt, also wird sie auch kommen hierher und wird uns verfolgen, und wir werden müssen fliehen über Berg und Tal! Daher meine ich, wir sollten uns sobald als nur immer möglich heben von hier und, sobald ich werde beschrieben sein - was heute früh noch geschehen soll -, uns wieder begeben nach Nazareth zurück und von dort gehen zu den Griechen über, von denen ich einige recht wohl kenne! - Bist du nicht meiner Meinung?«
Maria aber sprach zu Joseph: »Du siehst aber ja, dass ich heute noch nicht dies Lager verlassen kann; daher lassen wir alles dem Herrn über. Er hat uns bisher geführt und beschützt, so wird Er uns auch sicher noch weiter führen und gar treulich beschützen! Will Er uns vor der Welt offenbaren, sage: wohin wollen wir fliehen, da Seine Himmel uns nicht entdecken möchten?-! Daher geschehe Sein Wille! - Was Er will, das wird recht sein! Siehe, hier auf meiner Brust ruht ja, Dem dieses alles gilt! Dieser aber bleibt bei uns, und so wird auch die große Herrlichkeit Gottes nicht von uns weichen, und wir können da fliehen, wohin wir nur immer wollen!«
Als Maria aber noch kaum solches ausgeredet hatte, siehe, da standen schon zwei Engel als Anführer einer Menge Hirten vor der Höhle und zeigten den Hirten an, dass hier Derjenige geboren ist, dem ihre Lobgesänge gelten! Und die Hirten traten ein in die Höhle und knieten nieder vor dem Kindlein und beteten Es an; und die Engel kamen auch scharenweise und beteten an das Kindlein!
Joseph aber blickte mit seinen Söhnen ganz erstaunt hin nach der Maria und dem Kindlein und sprach: »O Gott, was ist denn das? - Hast Du Selbst Fleisch angenommen in diesem Kinde? Wie wohl wäre es möglich sonst, dass Es angebetet würde selbst von Deinen heiligen Engeln? Bist Du aber hier, o Herr, was ist denn nun mit dem Tempel und mit dem Allerheiligsten?«
Und ein Engel trat hin zum Joseph und sprach zu ihm: »Frage nicht und sorge dich nicht: denn der Herr hat die Erde erwählt zum Schauplatze Seiner Erbarmungen und hat nun heimgesucht Sein Volk, wie Er es vorhergesagt durch den Mund Seiner Kinder, Seiner Knechte und Propheten! Was aber geschieht nun vor deinen Augen, das geschieht nach dem Willen Dessen, der da ist heilig überheilig.« Hier verließ der Engel den Joseph und ging wieder hin und betete an das Kindlein, welches nun alle die Betenden mit offenen Händchen anlächelte!
Als aber nun die Sonne aufging, da verschwanden die Engel: aber die Hirten blieben und erkundigten sich beim Joseph, wie möglich doch solches vor sich gegangen ist? Joseph aber sagte: »Höret, wie wunderbar das Gras wächst aus der Erde, also geschah auch dieses Wunder! Wer aber weiß, wie das Gras wächst? So wenig weiß ich euch auch von diesem Wunder kundzugeben! Gott hat es also gewollt; das ist alles, was ich euch sagen kann!«


Aus Die Jugend Jesu, Kap.3-4+6+13-18


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