Die Entsprechung der Tempelreinigung
- Die Reinigung des Tempels im Menschen -
Der Tempel stellt
den Menschen dar in seiner naturmäßig-weltlichen Sphäre. In dem Tempel aber wie
im Menschen befindet sich ein Allerheiligstes; deshalb soll aber auch das
Äußere des Tempels geheiligt und lauter gehalten werden, auf dass das Innerste
als Allerheiligstes des Tempels wie des Menschen nicht entheiligt werde!
Es ist das
Allerheiligste des Tempels zwar wohl durch einen starken Vorhang bedeckt, und
es darf nur zu gewissen Zeiten der oberste Priester allein in das
Allerheiligste treten. Aber der Vorhang und ebenso wenig der nur selten
gestattete Besuch des Allerheiligsten ist ein Schutz vor der Entheiligung des
Allerheiligsten, denn so da jemand mit seinem Leib sündigt, da verunreinigt er
nicht nur den Leib, sondern auch seine Seele und durch sie auch seinen Geist,
der in jedem Menschen das Innerste und Allerheiligste darstellt und es auch
wirklich ist. Es ist im Menschen dieses Allerheiligste, so wie eben dasselbe
entsprechend im Tempel, tiefst hinter einen starken Vorhang gestellt, und nur
der alleinigen Liebe zu Gott, die ein echtester Oberpriester Gottes in
jeglichem Menschen ist, ist es gestattet, straflos in dies Allerheiligste zu
dringen und zu lüften den Vorhang; so aber dieser einzige Oberpriester im
Menschen selbst unrein wird, indem er sich an unreine weltliche Dinge hängt und
mit ihnen eine gemeine Sache macht, wie soll da das Allerheiligste unentheiligt
bleiben, so es von einem unreinen Oberpriester besucht wird?!
Wenn sonach im
Tempel wie im Menschen alles unrein geworden ist, dann kann es vom Menschen aus
auch nicht mehr gereinigt werden, denn so der Besen voll Kot und Unflats ist,
wie soll es taugen zur Reinigung eines Gemachs?! Da muss dann leider Gott
Selbst die Hand ans Werk legen und mit Gewalt den Tempel reinigen, und zwar
durch allerlei schmerzliche Dinge, als da sind Krankheiten aller Art und andere
scheinbare Unglücksfälle, auf dass der Tempel rein werde.
„Verkäufer“ und
„Käufer“ sind die niederen, unreinen Leidenschaften im Menschen, das zum
Verkauf gebotene Vieh stellt die unterste Stufe tierischer Sinnlichkeit dar und
zugleich auch die dadurch erzeugte große Dummheit und Blindheit der Seele,
deren Liebe gleich der eines Ochsen ist, dem sogar die sinnliche Zeugungs- und
Geschlechtsliebe mangelt, und den allein noch die allergröbste polypenartige
Fressliebe belebt, und dessen Erkenntnis gleich ist dem bekannten
Erkenntnisvermögen der Schafe!
Was besagen denn
hernach die Wechsler und ihre Geldgeschäfte? Diese besagen und bezeigen im
Menschen alles das, was da hervorgeht aus der schon ganz tierisch gewordenen
Eigenliebe des Menschen; denn das Tier liebt nur sich, und ein Wolf frisst den
anderen auf, so er Hunger hat. Diese „Wechsler“ oder solche tierische
Eigenliebe muss sonach auch mit aller schmerzlichen Gewalt hinausgeschafft
werden aus dem Menschen, und alles das, was diese Liebe belebt, muss umgeworfen
und verschüttet werden!
Ja, warum denn
nicht ganz vernichtet? Weil auch solcher Liebe nicht die Freiheit benommen
werden darf, denn der edle Same oder das Weizenkorn wird in einem mit
tierischem Unrat wohlgedüngten Acker am besten fortkommen und eine reiche
Ernte geben. Würde man aber dem Acker den Dünger ganz nehmen, um ihn gleichsam
von allem Unrat vollends rein zu machen, so würde dadurch das edle Weizenkorn
nur schlecht fortkommen und sicher eine sehr missliche Ernte abgeben.
Der Unrat, der
anfangs haufenweise auf den Acker gebracht wird, muss auseinander geworfen und
verschüttet werden, so wird er dann dem Acker dienen; würde man ihn aber im
großen Haufen beisammen lassen, da würde er, wo er liegt, alles ersticken und
den anderen Ackerteilen nichts nützen. Darin liegt daher der entsprechende
Grund in der evangelischen Tempelreinigungsgeschichte, dem zufolge Gott der
Wechsler Geld nur verschüttet und nicht völlig vernichtet hat, was Ihm wohl
auch sehr leicht möglich gewesen wäre.
Was stellen aber
dann die im Inneren des Tempels befindlichen Taubenkrämer vor, die auch hinaus
und auf ihre alten angewiesenen Plätze weichen müssen? Darunter wird begriffen
die äußere Tugend, die da besteht in allerlei Zeremonie, Anstand, Höflichkeit,
Artigkeit u.a.m. in rein weltlicher Beziehung, die aber die Blindheit der
Menschen zu einem inneren Lebenswert erheben und darin das wahre Leben des
Menschen wurzeln machen will.
Die Taube ist ein
Lufttier, und da sie im Orient häufig als Briefbote, besonders in Sachen der
Liebe, benutzt war und daher auch entsprechend schon bei den alten Ägyptern als
Hieroglyphe die zärtliche und zierliche Konversation bedeutete, so diente sie
als Zeichen solcher Konversation im Tempel und war auch ein gewöhnliches und
entsprechend sinnbildliches Opfertier, das gewöhnlich junge Eheleute bei der
Erstgeburt im Tempel als ein Zeichen zum Opfer brachten, dass sie nun solcher
äußerer Botschaften, Artigkeiten und zeremoniellen Zierereien ledig geworden
und nun in die wahre, innere, lebengebende Liebe eingegangen sind.
Nun aber gehört –
der Ordnung aller Dinge nach – das Äußerste ins Äußerste; die Rinde darf nie im
Mark des Baums sich befinden, da sie an und für sich etwas ganz Totes ist,
sondern alles, was zur Rinde gehört, muss sich auch in der Rinde lagern. Die
Rinde aber ist dem Baum von großem Nutzen, so sie auf ihrem Platz in gerechtem
Maß vorkommt. So aber jemand wollte die Rinde ins Mark des Baums schieben,
indem er zuvor dem Baum das Mark nähme, da müsste dann der Baum ja auch sobald
verdorren und sterben.
Und so werden zum
Zeichen, dass die Menschen alle die äußerlichen Tugenden nicht zur Sache des
inneren Lebens machen sollen, wodurch der edle Mensch bloß zu einer
Konversationspuppe wird, diese Taubenkrämer als im weiten Sinn alle
Äußerlichkeiten, und im engeren Sinn alle die Meister dieser Äußerlichkeiten,
die ihre Ware zur inneren Lebensware zu erheben bemüht sind, von Gott
ebenfalls, nur etwas artiger, aus dem Tempel geschafft und auf ihren
ordentlichen Platz verwiesen. Das ist demnach der geistige Sinn der vorliegenden
Tempelreinigung, und aus der richtigen und unwandelbaren Entsprechung zwischen
dem Menschen und Tempel lässt sich auch erkennen, dass derart nie ein Mensch,
sondern nur Gott allein als die ewige Weisheit, die alles sieht und kennt, so
handeln und reden kann.
Warum aber bleibt
nach solcher Fegung der Herr noch nicht im Tempel? Weil Er allein weiß, wie das
Innere des Menschen bestellt sein muss, damit Er im Menschen eine bleibende
Wohnstätte nehmen kann. Zugleich darf dem Menschen nach einer solchen Fegung
die Freiheit nicht genommen werden, da er sonst zu einer Puppe würde. Der Herr
darf Sich sonach dem gewaltsam gefegten inneren Menschen noch nicht
anvertrauen, denn Er allein weiß es, was zur vollen Herstellung des inneren
Menschen nötig ist. Daher geht der Feger wieder aus dem Tempel und fließt wie
zufällig von außen herein in das Innere des Menschen ein und fügt sich nicht
den Anforderungen des Menschen, dass Er bei und in ihm bliebe und ihn
unterstütze in der Trägheit, sondern da muss der Mensch wieder zur vollen
Selbsttätigkeit erwachen und durch sie erst ein vollkommener Mensch werden.
Großes Evangelium Johannes Bd.1, Kap.16