Jakob Lorber Die drei Wahrnehmungsgrade der Seele - Der Prophet Jakob Lorber

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Die drei Wahrnehmungsgrade des Menschen
„In der Seele gibt es drei sehr unterscheidbare Schau- und Wahrnehmungsgrade. Der erste ist, selbst im Traum der materiellen Naturmenschen, bei denen der innere Geist noch so untätig ruht wie der Pflanzengeist im Keimhülschen eines Samenkorns, nur ein pur naturmäßiger.
Die Seele trägt als eine Welt im Kleinen alles in sich, was die Erde im großen Maß in und über sich enthält und fasst.
So des Leibes Sinne im Schlaf wie tot und untätig ruhen, da beschaut die Seele, die nicht schlafen und tot werden kann, ein und das andere aus den materiellen Gebilden in sich, belebt sie auf Momente und erheitert sich, so sie auf etwas Schönes und Angenehmes geraten ist; ist sie aber auf etwas Arges und Unschönes geraten, da wird sie auch im Traum ängstlich und müht sich ab, der sie molestierenden [bedrängende] Erscheinung durch den vollen Rücktritt in ihres Leibes Fleisch los zu werden.
Was eine Seele in solchem ersten Schaugrad in einem Traum ersieht, hat dann freilich keine objektive, sondern nur eine leidende, subjektive und verbandlose Realität; denn sie beschaut da nur in der materiellen Weise ihr eigenes Weltkonglomerat und ist dabei zum Teil tätig und zum Teil leidend.
Aber in einem Traum, wie du ihn gehabt hast, befindet sich eine Seele in der Übergangsstufe vom ersten Sehgrad in den zweiten und höheren. In diesem Fall ist die Seele von ihrem pur Materiellen schon mehr isoliert, tritt gewisserart aus ihrem Fleisch, setzt sich durch ihren Außenlebensäther mit der Außenwelt in eine volle Verbindung und sieht und fühlt da Fernes und Wahreres aus den auf sie einwirkenden Lebens- und Sachverhältnissen auf der Erde.
Aber weil dieser Schaugrad der Seele schon ein höherer ist, so geschieht es sehr oft, dass die Seele, so sie beim Erwachen wieder in den Leib zurücktritt, von dem in diesem höheren Schaugrad Gesehenen und Vernommenen nichts mehr weiß, weil davon im Gehirn gewisserart keine Abzeichnung hatte genommen werden können, aus der dann im leiblichen Wachsein die Seele hätte ersehen können, was sie in ihrem freieren Lebenszustand gesehen und getan hat.
Doch manche Menschen, wie auch du einer bist, haben die Fähigkeit, auch das in dem höheren Schaugrad Gesehene und Vernommene aus dem Traum oder freierem Seh- und Handelnszustand der Seele ins Fleischgehirn zu zeichnen; und so die Seele sich dann wieder in den Leib zurückzieht und auch leiblich erwacht, so ersieht sie da im Gehirn alles, was sie in ihrem freieren und höheren Schaugrad gesehen, getan und vernommen hat.“ [GEJ.08_135,02-08]

„Eine frei sehende und frei fühlende Seele durchschaut schnell alle Verhältnisse, Bedingungen und die möglichen Hindernisse, wie auch zugleich die besten und sicheren Mittel, durch welche die Hindernisse sicherst zu beseitigen sind, und so muss ja das, was sie sich vorgenommen hatte, auch in der bestimmten Zeit geschehen. Und sieh, darin liegt denn auch die Vorhersehungsfähigkeit einer freieren und reineren Seele nicht nur für das, was sie zunächst angeht, sondern auch für das, was außer ihr irgend in der Welt geschehen, werden und vor sich gehen wird, weil sich eine solche rein-, fein- und fern-sehende und -fühlende Seele den Verband aller für die kommenden Ereignisse schon lange vorhanden seienden Verhältnisse, Bedingungen und Ursachen mit ihren bestimmten Wirkungen unverhüllt und so auch wie plastisch vollendet vorstellen kann, was bei einer unfreien und noch sehr materiellen Seele unmöglich der Fall sein kann. […] Aber solch ein Zustand ist noch nicht der volle zweite Hellsehungsgrad der Seele, weil sich der Geist in ihr da noch nicht in einem höheren Verband befindet, sondern nur so, wie allenfalls der Pflanzengeist im Samenkeimhülschen, wenn das Samenkorn ein paar Tage lang in der fruchtbaren Erde liegt, das Hülschen zu zersprengen beginnt und seine Tätigkeit zu äußern anfängt.“ [GEJ.08_135,11-13]  

„Der volle zweite und wohlunterscheidbare höhere Schau- und Fühlgrad der Seele tritt im Leibesleben wie auch im Traum dann ein, wenn der Geist in der Seele so tätig zu werden anfängt wie der Pflanzengeist im Samenkorn so er aus der eigentlichen Seele, die im Fleisch des Korns ruht, die Wurzeln in die Erde und die Keimblättchen über das Erdreich zu bilden und zu ziehen begonnen hat. Die Seele fängt da an, sich zu einer wahren Form zu entfalten und dringt einesteils in sich gleich wie der werdenden Pflanze Wurzeln in die Erde dringen und aus der Gotteskraft in derselben die rechte Nahrung einzusaugen beginnen, während anderenteils die Pflanze selbst aber, also von innen aus genährt, sich als das eigentliche und wahre Formwesen der Seele infolge der inneren Nahrung aus der reinen, wahren und lebendigen Gotteskraft in die Sphäre des Lichts erhebt und zur endlichen Vollendung höher und ausgebildeter emporwächst. Alles das aber geschieht durch die stets steigende Tätigkeit des Geistes in der Seele, der sich eben dadurch mit der Seele stets mehr eint. In diesem Zustand der Seele ist ihr Schauen und Fühlen kein dumpfes Ahnen mehr, sondern schon ein helles und klares Bewusstwerden aller Lebensverhältnisse, und wie dieselben sich zum eigenen Leben verhalten.
Der Mensch erkennt in diesem zweiten und höheren Schaugrad sich und auch Gott und kann da auch die Geister oder respektive Seelen der sowohl schon verstorbenen als auch der noch im Fleisch lebenden Menschen schauen und auch beurteilen, wie sie beschaffen sind. Solch eines Menschen Traumgesichte werden denn auch keine materiellen und unreellen, sondern geistig, rein, wahr und somit reell sein, und es wird da wenig Unterschied mehr zwischen dem Hellsehen im wachen Zustand oder im leiblich schlafenden Traumzustand eines Menschen sein.
Es gibt gewisse fromme Menschen, die beinahe täglich zur Stärkung der Seele im Leibesschlaf in der Geisterwelt leben und handeln. Wenn sie aber wieder leibeswach werden, so wissen sie nichts davon; nur ein gewisses tröstlich-stärkendes Gefühl gewahren sie in sich, und es kommt manchem vor, als hätte er angenehme Dinge gehört und gesehen. Nur solche Menschen, die sich gleich den Propheten schon im Übergang in den dritten und somit höchsten und hellsten Schau- und Gefühlsgrad befinden, weil ihr Geist sich schon völliger mit der Seele zu einen angefangen hat, bringen das in der auch schon höheren Geisterwelt Geschaute und Vernommene in den leibeswachen Zustand zurück und können es ihren Nebenmenschen wieder verkünden. In solch einem Zustand befanden sich die meisten kleinen Propheten.
Betrachte du aber nun zum Beispiel einen Weizenhalm, wie er sich bis dahin entfaltet, wo auf seinem höchsten Wachstumspunkt die Fruchtähre sich zu zeigen und zu entfalten beginnt. Sieh, dasselbe geschieht beim Menschen, wenn die Seele anfängt, völlig in ihren Geist überzugehen. Durch das Handeln im zweiten Hellschaugrad hat nur der Geist die immer noch zum halben Teil materielle Seele zu bearbeiten angefangen und breitete sich in ihr immer mehr aus, und das so lange fort, bis von ihm die ganze Seele erfüllt und geistig belebt wurde.
In diesem dritten Stadium aber fängt die Seele an, durch die Liebe des Geistes ganz entzündet, in den Geist überzugehen und alle ihre immer noch mit der Materie verwandte Substanz in die rein geistige Essenz umzugestalten, und da wird die wahre Fruchtähre fürs freie, ewige Leben gebildet. In diesem Zustand wird ein Mensch denn ganz ins Licht gehoben, fängt an, vom selben ernährt zu werden, und je mehr Nahrung er vom selben erhält, desto weniger nimmt er als stets mehr und mehr vergeistigte Seele Nahrung von der seelischmateriell substantiellen Sphäre an. Die Lebensähre blüht, einigt sich dadurch mit dem Geist der Liebe, und das erzeugt dann das Lebenskorn, das anfänglich mit der Milch aus den Himmeln genährt wird, in kurzer Zeit aber mit stets helleren und ewig festen und unwandelbaren Wahrheiten. Und sieh, da wird das Lebenskorn reif, und das Leben der Seele, das im zweiten Schaugrad als gewisserart vereint mit dem Geist den Kornhalm bildet, befindet sich nun im vollreifen Lebenskorn, darum denn der früher so emsig gebildete Halm welk wird, völlig abstirbt und sich vom Lebenskorn abscheidet und mit dem Korn keine Gemeinschaft mehr hat.
Sieh, das ist denn auch dann der dritte und höchste Schau- und Lebensgrad der Seele. In diesem Zustand sieht und vernimmt dann die Seele alles, was in der ganzen Schöpfung ist und irgend besteht. Sie sieht den Himmel offen und kann mit aller Geisterwelt in den lichtesten und lebendigsten Verkehr treten. Was solch eine Seele dann sieht, vernimmt und fühlt, das kann nimmer aus ihrer hellsten Erinnerung entschwinden; denn ihr hellster Schau- und Fühlkreis ist ein allumfassender, ewig bleibender und alles durchdringender. In solch einem Zustand befanden sich die großen Propheten, und in solch einem Zustand befinden sich auch alle vollendeten Geister der Himmel.
Wie aber kann ein Mensch schon auf dieser Welt in diesen Zustand des Lebens gelangen? – Der Mensch muss das Wort Gottes, in welchem Er dem Menschen treu Seinen Willen offenbart, einmal mit freudigem, dankbarem und willigem Herzen und Verstand annehmen. Dadurch legt er schon das wahre Lebensweizenkorn in das fruchtbare Erdreich. Darauf muss er aber auch ungesäumt nach dem Willen Gottes zu handeln anfangen. Dieses Handeln ist dann der belebende Regen, durch den der göttliche Geist in die Seele des Lebenskorns überzugehen bewogen wird. Nun heißt es dann zuerst in sich gehen durch die wahre Demut, durch die Geduld, Sanftmut, durch die wahre Liebe zum Nächsten und durch die rechte Barmherzigkeit. So ein Mensch lebendig und mit allem Eifer in diese Stücke eingeht, so geht er dadurch auch in seine eigenen Lebenstiefen und schlägt die geistigen Lebensnährwurzeln ins Erdreich der Gotteskraft, die solche Wurzeln dann gierig einsaugen und den Lebenshalm zum Gotteslicht emporzutreiben, zu bilden und zu vollenden anfangen. In diesem Zustand geht die Seele denn auch stets mehr in die immer lebendiger werdende Liebe zu Gott über, und zwar in dem Maß als ihr Geist auch immer tätiger in die Seele übergeht. Wenn des Menschen Lebenshalm auf diese Weise bis zur Ähre gediehen ist und die Seele sich ganz in der Liebe zu Gott und in ihrem Lebenslicht und in ihrer Lebenswärme befindet, so fängt sie damit auch an, selbst in ihren Geist überzugehen und völlig eins zu werden mit ihm. In diesem seligen Zustand wird die Lebenskornähre zuoberst am Halm ersichtlich und bildet sich nun im reinen Gotteslicht schnell aus bis zur Blüte; die Blüte aber zeigt dann die volle Liebe- und Lebenseinigung mit ihrem Geist und so auch mit Gott.
Aus dieser Einigung entsteht dann die wahre Lebensfrucht, deren volle Reifwerdung erhaben ist über alles Irdische im vollen Lebenslicht Gottes. Dass ein Mensch sogestaltig sich denn da auch im hellsten Schauen und lebendigsten Innewerden über alles in aller Geisterwelt wie auch in aller materiellen Schöpfung befindet, das wird wohl niemand bezweifeln, der das von mir nun Dargestellte, mit der Wachstumsordnung einer Pflanze vergleichend, nun mit einiger Aufmerksamkeit überdenkt.“ [GEJ.08_136,01-03+06-14+137,01-05]

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