Die Demut -
der Schlüssel zum ewigen Leben in Gott
Demut, der Urgrund alles Bestehens und Grundfundament alles Lebens | |
Der Herr: „Die Demut ist die innerste, allerhöchste Kraft, Macht und Gewalt in Mir Selbst. Alles, was da füllt die ganze Unendlichkeit, ist durch die Demut entstanden und ist aus ihr hervorgegangen.“ [HGt.02_011,14] Die „wahre Demut ist das eigentlichste Grundfundament alles Lebens.“ [HGt. 02_012,15] „Die rechte Demut […] ist der Same fürs ewige Leben in Gott! Sie ist der Anfang der reinen Liebe, – diese aber das ewige Leben selbst!“ [HGt.02_ 207,23-24] „In der wahren Demut besteht die eigentliche, allerhöchste Freiheit des Lebens, daher auch die größte Vollkommenheit desselben. Durch die Demut könnt ihr sogar euch in Mir der unantastbaren Heiligkeit Meiner Gottheit nahen, – ja die wahre Demut ist des Menschen höchste Weisheit, die höchste Liebe, die höchste Kraft alles Lebens, die Macht und die höchste Gewalt, vor der die ganze Unendlichkeit ehrfurchtsvoll erbebt!“ [HGt.02_011,13] |
Demut, worin sie im Eigentlichen besteht und wie sie auszuüben ist
Jesus: „Freunde, die Demut des Menschen im Herzen ist eine der notwendigsten Tugenden, durch die man zuvörderst zum inneren Licht des Lebens gelangen kann! Aber diese Tugend besteht eigentlich nur in der rechten Liebe zu Gott und zum Nächsten. Sie ist die sanfte Geduld des Herzens, durch die der Mensch seine Vorzüglichkeit wohl erkennt, sich aber über seine noch viel schwächeren Brüder nie herrscherisch erhebt, sondern sie nur mit desto mehr Liebe umfasst und zur eigenen erkannten höheren Vollendung durch Lehre, Rat und Tat zu erheben trachtet. Darin besteht die eigentliche und allein wahre Demut; aber in der Verachtung seiner selbst besteht sie ewig nie.
Ich Selbst bin von ganzem Herzen demütig und sanftmütig, und Meine Geduld übersteigt alle Grenzen; aber das werdet ihr an Mir noch nie erlebt haben, dass Ich Mich vor den Menschen je Selbst verachtet habe. Wer sich selbst nicht gerecht als ein Werk Gottes achtet, der kann auch seinen Nächsten nicht achten und auch Gott nicht der Wahrheit nach, sondern nur nach irgendeiner ganz grundfalschen Begründung.
So gefehlt es also ist, so sich ein Mensch überschätzt und also bald und leicht zu einem Verfolger und Bedrücker seiner Nebenmenschen wird und dabei der Liebe als des göttlichen Elementes des Lebens bar wird, ebenso gefehlt ist es aber auch, so ein Mensch sich unterschätzt.“ [GEJ.07_141,09-11]
„Wer recht demütig ist und voll der reinen, uneigennützigen Liebe zu Gott dem Vater und zu allen Menschen und hat stets das rege Bestreben, allen Menschen, so möglich, zu dienen in der Ordnung Gottes, der schwimmt ganz wohlbehalten und bestverwahrt über die sonst gar so leicht todbringenden Fluten aller Weltsünden hinweg; und am Ende dieser seiner irdischen Lebenslaufbahn, wenn für ihn die Flut sinken wird und sich verlaufen in ihre finsteren Tiefen, da wird seine Arche am großen Ararat des lebendigsten Reiches Gottes eine wohlgestellte Ruhe nehmen und wird dem, den sie getragen, zu einem ewigen Wohnhaus werden.“ [GEJ.03_013,10]
Wahre und falsche Demut
Jesus zu Zorel: „Die wahre Demut aber liegt ja ohnehin nicht in einem äußerlichen Werk ins Gesicht, sondern im Herzen, der vollen Wahrheit gemäß. Geh nach Jerusalem, und sieh dort die Pharisäer und alle Schriftgelehrten an, mit welch demutsvollen Gesichtern und Kleidern sie einherschreiten; ihre Herzen aber sind danebst doch des stinkendsten Hochmutes voll und hassen bis tief unter die Hölle jedermann, der nicht nach ihrer Pfeife tanzen will, – während ein König mit Krone und Zepter, so er diese nicht setzt über den Wert eines Menschen, so demutsvollen Gemüts sein kann wie ein letzter Bettler auf der Straße! Wenn du das so recht bedenkst, da wird es dich zur Rechten des Kornelius an unserem Tische schon dulden.“
Sagt Zorel: „Ah, wenn so, da geht es freilich wohl!“ – Er geht nun hin und setzt sich nach dem Wunsch des Kornelius. Kornelius aber sagt zu ihm: „So, lieber Freund, so freut es mich von ganzem Herzen! Wir wollen ja in der Folge miteinander leben und wirken im Namen Dessen, der uns erleuchtet hat! Ich denke es mir also, was da betrifft eine rechte Demut: Man soll im Herzen voll der wahren Demut und Nächstenliebe sein, aber äußerlich soll man damit eben nicht prunken; denn dadurch, dass ich mich äußerlich zu knechtisch tief unter die anderen Menschen beuge, mache ich sie hochmütig und benehme mir die Gelegenheit, ihnen in allem, was da nützlich wäre, dienen zu können. Eine gewisse Achtung, die ich schon bloß nur als Mensch von meinen Nebenmenschen zu erwarten habe, darf ich nie völlig vergeben, weil ich ohne dieselbe nichts ersprießlich Gutes bewirken kann! Darum wollen wir beide zwar in unseren Herzen so demütig als nur immer möglich sein; aber von unserem notwendigen äußeren Ansehen können und wollen wir nichts vergeben! Wir werden gar oft in Gelegenheiten kommen und sehen, wie irgend arme Menschen sich zu ihrem Unterhalt mit sehr geringen und allerunansehnlichsten Arbeiten abgeben müssen. Sollen wir, um etwa unserer Demut die Krone aufzusetzen, auch die Pfützen und Kloaken räumen gehen?! Dessen glaube ich, bedarf es nicht äußerlich; da genügt es, dass wir jene Menschen, die sich mit solcher Arbeit abgeben, darum in unseren Herzen nicht für geringer halten denn uns, die wir vom Herrn aus ein ganz anderes Amt zu versehen überkommen haben. Wir selbst müssen zuerst das Amt hochachten, uns aber freilich nicht etwa um unsertwillen, sondern vor dem Volk nur um des Amtes willen. So aber das eine Notwendigkeit ist, da dürfen wir nicht selbst die Pfützen und Kloaken reinigen gehen, sondern müssen diese Arbeit denen übertragen, die vom Herrn und von der Natur dazu bestimmt sind. Wir würden es auch nicht aushalten, weil wir nicht von Jugend auf daran gewöhnt worden sind. Und der Herr wird so etwas von uns auch sicher nicht verlangen; aber das verlangt Er als Vater aller Menschen, dass wir in unseren Herzen keinen Menschen, sogar den größten Sünder nicht, verachten sollen, sondern alles aufbieten, um seine Seele zu retten! Und so glaube ich, dass wir recht handeln werden vor Gott und vor allen Menschen.“
Sage Ich: „Ja, also ist es recht! Die wahre Demut und die wahre Nächstenliebe wohnen wahrhaft in euren Herzen – und nicht im äußeren Schein wie bei den Pharisäern! Wer sich ohne Not unter die Kleie und Treber mengt, muss sich's am Ende gefallen lassen, von den Schweinen aufgefressen zu werden! Also verlangt die rechte Demut auch nicht, dass ihr die Perlen Meiner Lehre gerade den Schweinen vorwerfen sollt. Denn es gibt Menschen, die da ärger sind denn die Schweine, und für die taugt Meine Lehre nicht; denn diese Art Menschen mögt ihr ganz füglich eher zur Räumung der Pfützen und Kloaken verwenden, bevor ihr ihnen Meine Worte und Meinen Namen kundmacht! Seht aber da nicht etwa aufs Kleid oder auf eine Außenwürde, sondern allein auf das Benehmen eines Menschen seinem Herzen und Gemüt nach! Ist das edel, sanft und geduldig, dann verkündet ihm das Evangelium und sagt: ,Der Friede sei mit dir im Namen des Herrn und mit allen Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind!‘ Ist der also zum voraus gesegnete Mensch eines wahrhaft guten Willens und Herzens, so wird der segenvolle Friede in ihm verbleiben, und das ihm bekanntgemachte Evangelium wird ehest die schönsten Himmelsfrüchte zu tragen beginnen. Und so glaube und meine Ich Selbst nun nach eurer menschlichen Weise, dass ihr alle nun mit dem, was die rechte Demut ist, so völlig zu Hause sein dürftet!“ [GEJ.04_086,03-12]
Jesus: „Vor Gott, Mein Freund, ist eine die Menschenseele zu dumm erniedrigende Demut schon so gut eine Torheit als irgendeine andere, nur im Heidentum vorkommende, – umso mehr eine zu große Demütigung eines Menschen vor wieder nur einem Menschen. Solch eine zu speichelleckerische Demutsäußerung eines Menschen vor einem andern Menschen macht beide schlecht; den ersten, weil er solch eine Demut zumeist nur heuchelt und dadurch seinen Nebenmenschen noch hochmütiger zeihet, und den zweiten, weil er dadurch im Vollernst noch hochmütiger wird!
Jene Demut, die da hervorgeht aus der reinen Liebe, ist eine rechte und wahre Demut; denn sie achtet und liebt im Nebenmenschen einen Bruder als Bruder, macht aber weder sich selbst noch den Nächsten zu einem Gott, vor dem man auf die Knie fallen und ihn anbeten soll.
Was du irgend willst oder möchtest, das verlange als Mensch vom Menschen und als Bruder vom Bruder; aber im Staube kriechen soll nie ein Mensch vor dem andern!
Was Gott von keinem Menschen verlangt, das soll umso weniger ein Mensch von seinem Nebenmenschen verlangen! Das ist auch eine rechte Weisheit in der vollsten Ordnung Gottes; daher merkt sie euch und tut danach, so werdet ihr angenehm vor Gott und vor den Menschen sein!“ [GEJ.03_195,11-15]
Jesus: Es „hat dann der erwachsene und zur reineren Erkenntnis gelangte Mensch vor allem darauf zu sehen, dass er sich der wahren und rechten Demut befleißige aus allen seinen Kräften. Bevor er nicht den letzten Rest eines Hochmutsgefühls getilgt hat, kann er weder hier noch jenseits in eine völlige Vollendung des rein geistigen Himmelslebens übergehen.“ [GEJ.04_083,07]
„Wahrlich aber sage Ich euch: Es gibt keine härtere Knechtschaft als die des steifen Eigenwillens, wobei auf nichts als auf die Eigenliebe Rücksicht genommen wird, wobei alle also sein sollen, dass sie frönten dem Willen eines einzigen!‘“ [HGt.01_111,17]
Hochmut ist der Weg zur Hölle – die Demut der Weg zum Himmel
Jesus: „Ich werde euch aber sagen, was bei und in euch daran [Glaube an ein Fortleben der Seele nach dem Tod (Vers 2)] schuldet! Seht, daran schuldet euer Hochmut, eure Selbstliebe und die Gier, vor den Menschen als hochtrabende Viel- oder gar Alleswisser zu glänzen und jeden anderen mit den alten, weltweisheitlichen Brocken in den Staub hinabzureden! Wer soll euch denn etwas sagen oder raten, wenn ihr allzeit nur darauf euer Gewicht legt, dass ein jeder nur von euch belehrt werden kann, – ihr aber von niemandem? Darin aber besteht der allergefährlichste Hochmut, dem der Spruch gilt: Wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht mehr zu helfen!
Solange ihr aber in diesem Hochmut verharren werdet, ebenso lange werdet ihr auch anstatt des Lebens nur den ewigen Tod in euch fühlen; denn der Hochmut treibt die Seele mit aller Gewalt in ihres Leibes Fleisch, und diese, sich in sich selber stets mehr und mehr aufblähend, wird dadurch ordentlich völlig eins mit ihrem Fleisch und kann in solch einem Zustand dann nichts anderes fühlen und empfinden als den Tod des Fleisches.
Wo aber die Seele von ihrem Hochmut absteht und sich demütigt, da isoliert sie sich auch stets mehr von ihres Leibes grobem Fleisch und steht mit demselben nur allein durch den ihr verwandten Nervengeist im Verband. Ist das bei einer Seele einmal eingetreten, dann wird sie auch schon lebensfühlend in sich werden, und bestrebt sie sich, auch mehr und mehr in der Nächstenliebe und dadurch auch in der reinen Liebe zu Gott, den sie in ihrer Demut auch bald und leicht finden wird, recht tüchtig zu werden, so ruft sie dadurch auch ihren jenseitigen Geist aus Gott wach und fängt an, sich mit demselben zu einen. Wenn das aber einmal vor sich geht, dann geht sie schon in das vollkommene, ewige Leben ein und wird dadurch Gott ähnlicher und ähnlicher in allem, und das ewige Leben ist in ihr zur großen Klarheit geworden. Solange aber eine Seele in ihrem Welthochmut verharrt und sich von ihren Nebenmenschen über alle die Maßen nur Weihrauch über Weihrauch streuen lässt, so lange versenkt sie sich selbst auch stets mehr in ihr grobes Fleisch und somit auch notwendig stets mehr und mehr in des Fleisches Tod.“ [GEJ.06_111,03-06]
Jesus: „Ich sage es dir: Es ist des Satans Lust, die blinden Menschen durch den in sie eingepflanzten Hochmut von der Ordnung Gottes soweit als möglich wegzubringen; aber werden sie einst als Jünger seiner Schule drüben anlangen, dann wird er sie verwerfen und zu seinen allerniedrigsten und scheußlichsten Diensten stellen, in denen sie nach seinem bösesten Willen ewig werden zu verbleiben haben!
Der Satan als der Fürst der Finsternis lässt die Menschen hier zu Göttern erhöhen, um sie dereinst zu den niedrigsten Scheusalen hinab zu demütigen. Gott aber verlangt hier ein weises und demutsvolles Herz, um dereinst den Menschen desto höher zu heben und seliger zu machen. Es wird zwar solche Macht dem Satan benommen werden, und die Menschen werden völlig unabhängig frei nach ihrem Sinn schalten und walten können; – dadurch werden die Guten desto mehr leuchten, und die aus sich Bösen aber desto ärger und tiefer der Hölle angehören; denn da wird ihre Bosheit nicht der Satan auf seine Rechnungstafel, sondern sie auf ihre höchst eigene bekommen, und sie werden dereinst vom Satan und seinen Knechten desto übler hergenommen werden.
Darum ist eines jeden Menschen erste Pflicht, in aller Demut seines Herzens Gott zu suchen im Geist und in der Wahrheit, und hat er Ihn gefunden, dann erst bete er Gott auch im Geist und in der Wahrheit an! Das Hauptgebet aber besteht darin, dass ein demütiges Herz demütig bleibt und seinen Nächsten liebt in der Tat mehr als sich selbst, Gott aber als den allein wahren Vater aller Menschen und Engel über alles! Niemand aber kann Gott lieben in seinem finsteren Fleisch, so er seinen Bruder hasst; denn wie möglich könnte jemand Gott lieben, den er nicht sieht, so er seinen Bruder nicht liebt, den er sieht?! Es ist aber bei weitem nicht genug, zu sagen: ,Ich liebe meine Nächsten und bin ihnen sehr freundlich!‘ Die wahre und vor Gott allein gültige Liebe muss in Werken bestehen, wenn die Nächsten derselben bedürfen, geistig oder leiblich. Diese Liebe ist der wunderbare Schlüssel zum Licht aus Gott im eigenen Herzen. Ich sage es dir und deinen Gefährten, hättet ihr diesen goldenen Schlüssel nicht gefunden und in euer Herz aufgenommen, nimmer würdet ihr den Weg hierher gefunden haben! Was aber das sagen und heißen will, dass du und deine Gefährten hierhergekommen seid, wennschon durch einen mächtigen Sturm des äußeren Lebens, das fangt ihr nun schon an zu ahnen, – die kurze Folge aber wird euch erst ins wahre Licht führen! Wenn du Mich erst ganz erkannt haben wirst, dann wirst du auch einsehen, ob Ich anzubeten bin oder nicht!“ [GEJ.03_207,07-15]
„(Der Herr:) „Aber nun kommt noch ein gar überaus wichtiges Lebensfeld, auf dem man dann erst so ganz zur vollen Wiedergeburt des Geistes in seiner Seele gelangen kann, was da ist des Lebens wahrster Triumph und höchstes Endziel. Dieses Feld ist der schnurgeradeste Gegensatz zum Stolz und Hochmut und heißt – Demut.
In einer jeden Seele aber liegt gleichfort ein Hoheitsgefühl und Ehrgeiz, der bei der geringsten Gelegenheit und Veranlassung sich nur zu leicht zu einer alles zerstörenden Zornleidenschaft entflammt und nicht eher zu dämpfen oder gar vollauf zu löschen ist, als bis er die ihn beleidigenden Opfer verzehrt hat. Durch diese grässliche Leidenschaft aber wird die Seele so zerstört und materievoll, dass sie für eine innerliche, geistige Vollendung noch um vieles untauglicher wird – als der großen Wüste Afrikas glühender Sand zur Stillung des Durstes! Bei der Leidenschaft des elenden Hochmutes wird am Ende die Seele selbst zum glühenden Wüstensand, über dem auch nicht ein elendstes Moospflänzchen erwachsen kann, geschweige irgendeine andere saftvollere und gesegnetere Pflanze. So die Seele eines Hochmütigen! Ihr wildes Feuer versengt und verbrennt und zerstört alles Edle, Gute und Wahre des Lebens vom Grund aus, und tausendmal Tausende von Jahren werden vergehen, bis Afrikas Sandwüste sich in freundliche und segentriefende Fluren umgestalten wird. Da wird noch gar oftmals das ganze Meer seine Fluten darüber treiben müssen!
Siehe an einen stolzen König, der durch irgendeine kleine Sache von seinem Nachbar beleidigt wurde! Seine Seele gerät darauf stets mehr und mehr in den wüstesten Brand; aus seinen Augen sprühen schon lichterlohe Zornflammen, und die unwiderrufliche Losung heißt: ,Die furchtbarste Rache dem ehrvergessenen Beleidiger!‘ Und ein verheerendster Krieg, in dem sich Hunderttausende für ihren stolzen und übermütigen König auf die elendeste Weise zerfleischen lassen müssen, ist die altbekannte, traurigste Folge davon. Mit großem Behagen schaut dann der zornentflammte König aus seinem Zelt dem tollsten Schlachten und Morden zu und belohnt stolz jeden wütendsten Krieger mit Gold und Edelsteinen, der dem bekriegten Gegenteil irgendeinen größten und empfindlichsten Schaden hatte zufügen können. Wenn ein solcher König seinen Beleidiger schon nahe bis aufs letzte Hemd beraubt hat mit seiner überwiegenden Macht, so ist ihm das noch viel zu wenig! Ihn selbst will er vor sich noch auf das allergrausamste martern sehen! Dagegen nützt kein Bitten und kein Flehen etwas. Und ist der Beleidiger auch vor des stolzen Königs Augen unter den peinlichsten und schmerzlichsten Martern gestorben, so wird dessen Fleisch noch dazu allergrässlichst verflucht und den Raben zum Fraß ausgestreut, und nimmer kehrt in das diamantene Herz eines solchen Königs irgendeine Reue zurück, sondern der Zorn oder die glühende Wüste Afrikas bleibt, einem jeden gleichfort den fürchterlichsten Tod bringend, der es je wagen sollte, auch nur der Stelle, wo irgend der stolze König stand, nicht die höchste Ehre zu bezeigen. Ein solcher König hat freilich wohl auch noch eine Seele; aber wie sieht diese aus? Ich sage es dir: ärger denn die glühendste Stelle der großen Sandwüste Afrikas! Meinst du wohl, dass solch eine Seele je zu einem Fruchtgarten der Himmel Gottes wird umgewandelt werden können? Ich sage es dir: Tausendmal eher wird Afrikas Wüste die herrlichsten Datteln, Feigen und Trauben tragen, denn solch eine Seele auch nur einen kleinsten Tropfen der himmlischen Liebe!“ [GEJ.04_082,01-06]
Hochmut zerstört die Seele
(Der Herr): „Daher hütet euch alle vor allem vor dem Hochmut; denn nichts in der Welt zerstört die Seele mehr als der stets zornschnaubende Hochmut und Stolz! Ein immerwährender Rachedurst ist gerade also sein Begleiter, wie der ewige und unlöschbare Regendurst der großen, glühenden Sandwüste Afrikas steter Begleiter ist, und alles Getier, das seine Füße auf diesen Boden setzt, wird ebenfalls nur zu bald von derselben Plage ergriffen, so wie die Dienerschaft des Stolzen am Ende selbst ganz ungeheuer stolz und auch rachedurstig wird. Denn wer dem Stolz ein Diener ist, muss ja am Ende selbst stolz werden; wie könnte er sonst dem Stolzen ein Diener sein?!
Wie aber kann sich denn ein Mensch vor dieser allerbösesten Leidenschaft verwahren, da doch in einer jeden Seele der Keim dazu vorhanden ist und schon gar oft bei den Kindern einen beträchtlichen Wucherhöhepunkt erreicht hat? Durch die Demut allein ist dieses möglich!“ [GEJ.04_082,07+083,01]
Gott wohlgefällige Demut
„Willst du aber wahrhaft gottwohlgefällig demütig sein, so musst du das nach dem Willen Gottes, aber nie nach deinem eigenen Gutdünken sein! Denn bist du durch dein eigenes Vorhaben demütig, dann ist deine Demut ein Kind deiner Selbstliebe und somit zu nichts nütze und von keinem Wert vor Gott; denn hinter einer solchen Demut steckt allzeit eine verdienstlich scheinende Selbstzufriedenheit, ein Eigenlob und am Ende ein verkappter Hochmut!
Sagst du aber zu allem und allzeit aus deinem Lebensgrund: ,O Herr und Vater, Dein allein heiliger Wille geschehe jetzt wie ewig!‘, dann bist du wahrhaft demütig vor Gott, und deine Demut hat vor dem Herrn einen Wert!
Wer sich nach seinem eigenen Willen noch so sehr erniedrigt, beachtet aber dabei den Willen Gottes nicht, so tut er im Grunde nichts anderes als der, welcher sich eigenmächtig zum Volksherrscher aufwirft!
Nur wer seinen eigenen Willen gefangen nimmt und dafür den rein göttlichen in sich geltend und herrschend macht, der ist Gott wohlgefällig und seine Demut ist gerecht vor dem Herrn.“ [HGt.03_162,10-13]
Der Herr: „Wer aber in aller Demut sein Herz zum Meinigen erheben wird, dessen Leben will Ich erleuchten mit der hellen Flamme seiner Liebe zu Mir, und es soll ihm also licht werden sein ganzes Wesen, dass er in diesem Licht ewig nimmer den Tod sehen soll!“ [HGt.02_257,06]
Durch Demut das Leben in sich ausbilden
Der Herr: „Durch das Dienen wird die Demut am meisten geübt und gefördert, je untergeordneter oft ein Dienst erscheint, desto tauglicher ist er für die wahre Ausbildung des Lebens. Die Demut selbst aber ist nichts als das sich stets mehr und stärker Kondensieren des Lebens in sich selbst, während der Hochmut ein stets lockereres Gestalten und sich ins Endloseste hin auseinander Zerstreuen und am Ende nahe gänzliches Verlieren des Lebens ist, was wir den zweiten oder geistigen Tod nennen wollen.“ [GEJ.04_095,01]
„Wenn demnach jemand ganz vollkommen ernstlich will und verleugnet sich in aller Demut seines Herzens, genötigt durch Meine Liebe in ihm, der wird dann auch sicher um vieles eher zum heiligen Endziel alles Segens gelangen, welches da ist die dir schon wohlbekannte Wiedergeburt des Geistes.“ [HiG.02_42.04.21,07]
Nicht aus Eigennutz der Letzte sein wollen
„Es hüte sich aber dennoch ein jeder, etwa des Eigennutzes wegen der Letze zu sein, sondern allein darum, dass er darob den liebevollsten Vater desto mehr in solch stiller Abgezogenheit lieben könnte und desto mehr sehnsüchtigsten Herzens werden möchte, zurückzukehren in die ewige Heimat, allda der überheilige Vater beständig wohnt als Gott aller Macht, Kraft, Gewalt und Stärke!“ [HGt.02_057,07]
Keine übertriebene Ehrfurcht und Angst sondern kindliche Demut
„Ich sage dir aber: Solche Demut behagt Mir nicht, so du vor Mir mutlos wirst und fürchtest dich vor Meinen Ohren und hast Angst vor Meinen Augen. Wohl aber habe Ich das größte Wohlgefallen an einem solchen Benehmen, das völlig gleicht der Verhaltungsweise der kleinen Kindlein, die da keine Angst und Furcht vor ihren Eltern haben, sondern sind allzeit voll guten Mutes und reden und schreien vor ihren Eltern darauf los, als wären sie die Herren im Hause; wenn es sie aber hungert und dürstet, da laufen sie doch in aller kindlichen Liebe und Ergebung zu den Eltern und bitten sie um Brot, und so sie das Brot empfangen aus den Händen der Eltern, danken sie den Eltern mehr durch den frohen, heiteren Genuss desselben als durch eine zu übertriebene Ehrfurcht und Angst vor ihnen und daneben mit einem viele Arme langen, wenig sagenden Wortdanke!“ [HGt.02_024,12-13]
Falsche Demut sich für zu schlecht und wertlos halten
„Sage Ich: „Ja Freund, wenn du stets in einer solch ungeheuren und mehr denn zu Dreiviertelteil unnötigen Ehrfurcht vor Mir dich bewegen wirst, da wird es Mir Selbst kaum möglich sein, dir irgendein Licht mit in dein Heimatland zu geben! Übrigens tust du Mir als dem Schöpfer durchaus keine zu große Ehre dadurch an, dass du dich als doch offenbar Mein Werk für gar nichts schätzst und tief unter die Würde eines sich im Staube aller Nichtigkeit wälzenden Wurmes setzst! Denn durch solch eine Geringstachtung deiner selbst vor Mir, deinem Schöpfer, setzst du ja auch Den, der dich aus Seiner höchsten Weisheit und Liebe geschaffen und gestaltet hat, ganz kurios herunter! […] Siehe, diese Art Demütigung vor Mir ist darum durchaus nicht weise, sondern läppisch und närrisch! Denn wenn du dich für zu schlecht und wertlos hältst, so sagst du dadurch ja doch leicht begreiflich Mir ins Gesicht, dass Ich ein elender Pfuscher mit Meiner ganzen Schöpfung bin. Ah, wenn du aber gerechtermaßen Meinen Wert auch in dir anerkennst und dich selbst nicht für zu unendlich gering, elend und schlecht hältst, um mit Mir über dies oder jenes dich zu bereden, so ehrst du in dir selbst Mich und erkennst Meine göttliche Vortrefflichkeit auch auf deinem eigenen Grund und Boden; und also gestellt, kannst du aus Meiner Gegenwart jenen wahren und lebendigen Nutzen ziehen, dessentwegen du eigentlich hierher gezogen bist.“ [GEJ.04_188,03-06]
Der Mensch – Selbstschöpfer seiner Schicksale
(Der Herr:) „Denkt euch aber nicht, dass das etwas Derartiges sei, das die gewissen blinden Weltweisen ,Bestimmung‘ nennen, als habe Gott schon für jeden Menschen bestimmt, was er in seinem kurzen oder längeren Leben zu gewärtigen hat! Etwas Derartiges zu denken und zu glauben kann der Seele den Tod bringen, weil das eine Lehre ist, die eine heimliche Ausgeburt der Hölle ist und zu den wahren Lebensprinzipien aus Gott für die Menschen gerade das schroffste Gegenteil darstellt. Die Bestimmung machen sich die Menschen selbst durch die Verkehrtheit ihres freien Willens und dadurch, dass sie nicht erwecken wollen alle die sieben Lebensgeister in sich, wodurch sie auch nicht zu der wahren Anschauung ihres inneren, wahren und unvergänglichen Lebensschatzes kommen. Dadurch kommen sie auf Abwege und wollen dann auch im Licht der Welt das wahre, innere Licht des Lebens aufsuchen und frohen Mutes nach demselben wandeln und handeln.
Wenn eine Menschenseele aber einmal so recht in der dicksten Nacht ihres selbstgeschaffenen Weltdünkels steckt, so können ihr bei Belassung ihrer inneren Willensfreiheit auch alle Engel der Himmel keine andere Richtung geben, und es kann da dann niemand sagen: ,Siehe, das war schon also die Bestimmung für diesen Menschen!‘ Ja, es war wohl allerdings eine Bestimmung, aber nicht etwa von Gott ausgehend, sondern vom Menschen selbst.
Von Gott aus war es nur eine Zulassung, und das eben infolge des vollkommen freien Willens des Menschen. Und was Ich nun sagte von einem Menschen, das gilt denn auch von einem ganzen Volk. Es ist und bleibt der Selbstschöpfer seiner zeitlichen und seiner ewigen Schicksale.“ [GEJ.07_052,01-03]
Es besteht, so spricht Jesus, „für jedes Wesen die freie Möglichkeit, ein überglückliches werden zu können, aber auch so lange ein unglückliches zu verbleiben, als es selbst will!“ [RB.01_030,10]
Nur den Einen Herr und Vater nennen
„Sagte Ich: „So ihr werdet bleiben in Mir, da werde Ich auch bleiben in euch. Ohne Mich aber werdet ihr nichts zu tun imstande sein. So ihr aber mit Mir und in Meinem Namen alles werdet getan haben, da sagt es in euch: ,Siehe, o Herr, wie wir doch stets als faule und unnütze Knechte in der Bearbeitung Deines Weinbergs vor Dir dastehen!‘ Denn wahrlich: wer sich selbst erhöhen wird, der wird erniedrigt werden; wer sich aber selbst erniedrigen wird, der wird erhöht werden! Aber dabei sollt ihr doch zu niemandem ,Herr‘ sagen; denn nur einer ist euer Herr und Meister, und Der bin Ich! Also sollt ihr zu niemandem ,Vater‘ sagen; denn nur einer ist euer Vater, – Der im Himmel nämlich! Also sollt ihr auch niemanden gut und heilig nennen; denn nur Gott allein ist gut und heilig! Ihr alle aber seid Brüder und Schwestern untereinander. Wer aber unter euch der Erste und meiste sein will, der sei aller Knecht und Diener! Denn in Meinem Reich ist der Demütigste und Geringste und anscheinend der Letzte eben der Erste und Größte in aller Weisheit und Macht.
Nun wisset ihr, was ihr zu tun und stets zu beachten habt, um Mich und Meine Kraft und Macht in euch zu erhalten und mit ihr zu wirken; tut denn auch allzeit also, da werdet ihr auch verbleiben in Mir und Ich in euch!“ [GEJ.09_145,02-06]
Durch wahre Demut aus der schöpferischen Nötigung (Gesetz) zum ewigen Leben (Freiheit)
„Rede Ich: „Liebe Kindlein, Demut ist wohl die erste und größte Tugend eines jeden menschlichen Herzens, aber sie darf eben so wenig übertrieben werden wie eine andere Regel des Lebens.
Dass Ich der Schöpfer und ihr die Geschöpfe seid, ist eine Sache, die auf beiden Seiten eine Notwendigkeit ist und sich selbst für Mich unmöglich anders darstellen lässt. Denn will Ich Geschöpfe haben, so muss Ich sie so erschaffen, wie Ich sie haben will. Und es wird unmöglich ein Geschöpf eher gefragt werden können, ob und unter welchen Bedingungen es erschaffen sein möchte, sondern es hängt da ganz allein von Mir ab, wie Ich das Geschöpf haben will!
Da sonach das Geschöpf eine Notwendigkeit Meines Willens ist, Mein Wille aber – als der Grund des Werdens und Bestehens des Geschöpfes – dem Geschöpf gegenüber ebenfalls eine Notwendigkeit ist, so haben sich auf diesem Standpunkt Schöpfer und Geschöpf gegenseitig nicht viel zugute zu halten. Denn wie Ich als Schöpfer dem Geschöpf eine Notwendigkeit bin, ebenso ist auch das Geschöpf als Stützpunkt Meines Willens diesem eine Notwendigkeit.
Ganz anders aber ist es, wenn der Schöpfer aus Seinen Geschöpfen freie, Ihm ähnliche, selbständig mächtige Wesen hervorbringen will. Da freilich tritt das Geschöpf in eine ganz andere Lebenssphäre! Der Schöpfer gibt da dem Geschöpf durch das freie, lebendige, vollkräftige Wort eine eigene Kraft, die das Geschöpf dann durch fleißige tatsächliche Pflege in sich zur Vollreife zu bringen hat, um dadurch ein freies, ganz aus sich mächtiges Wesen zu werden. In diesem Fall tritt erst die wahre Demut ein, weil sie das alleinige Mittel ist, durch welches das Geschöpf sich der schöpferischen Nötigung vollends entwindet. Es vermag sodann als ein aus sich selbst lebendiges und mächtiges Wesen Mir, dem Schöpfer, gegenüber sich also aufzustellen, als so Ich Selbst Mir gegenüber als ein zweites Ich auftreten könnte. Aber diese notwendige Demut darf dennoch keine übertriebene sein, sondern gerade nur so, wie Ich als Meister alles Lebens sie anordne; sonst kann sie das nicht bezwecken, wozu sie gegeben ist.“ […] Ich habe euch nun alles gesagt, was ihr zu tun habt für die Zukunft. Nun aber liegt es an euch, ob ihr das alles wohl annehmen und danach handeln wollt. Fragt alle euer Herz und sagt es Mir dann frei heraus! Denn Ich lasse euch die vollste Freiheit und will nicht einmal in eure Gedanken schauen, auf dass ihr völlig frei selbst bestimmen könnt, was und wie ihr es wollt!“ [BM.01_183,07-11+33-34]
Sich mittels Demut und Selbstverleugnung reinigen
Jesus: „Die Seele muss mit dem Wasser der Demut und Selbstverleugnung gereinigt werden und dann erst aus dem Geist der Wahrheit, die eine unreine Seele nie fassen kann, da eine unreine Seele gleich ist der Nacht, während die Wahrheit eine Sonne voll Lichtes ist, die allenthalben Tag um sich verbreitet.“ [GEJ.01_018,08]
Ohne gänzliche Hinausschaffung des Hochmuts keine Vollendung möglich
Jesus erklärt, wenn die Kinder keine „solche Erziehung erhalten, durch die ihr Geist in ihrer Seele erweckt würde, so hat dann der erwachsene und zur reineren Erkenntnis gelangte Mensch vor allem darauf zu sehen, dass er sich der wahren und rechten Demut befleißige aus allen seinen Kräften. Bevor er nicht den letzten Rest eines Hochmutsgefühls getilgt hat, kann er weder hier noch jenseits in eine völlige Vollendung des rein geistigen Himmelslebens übergehen.
Wer da sich selbst erproben will, ob er in der Demut ganz vollendet ist, der frage sein Herz, ob er noch durch irgend etwas beleidigt werden kann, und ob er seinen größten Beleidigern und Verfolgern leicht aus vollem Herzen vergeben kann und Gutes tun denen, die ihm Arges zugefügt haben, ob er gar keine Sehnsucht nach irgendeiner Weltherrlichkeit dann und wann fühlt, ob es ihm angenehm ist, als der Geringste unter den Geringen sogar sich zu fühlen, um jedermann in allem dienen zu können! Wer das alles ohne Trauer und Wehmut vermag, der ist schon hier ein Einwohner der höchsten Himmel Gottes und wird es bleiben in Ewigkeit; denn durch solch eine gerechte Demut wird nicht nur die Seele völlig eins mit ihrem Geist, sondern auch zum größten Teile der Leib.“ [GEJ.04_083,07-08]
Rechte Art, Kinder zur Demut zu erziehen
Jesus: „Eine jede Seele hat, angestammt von Gott aus, dessen Idee und Wille sie ist, ein Hoheitsgefühl, dessen Dasein man schon an der Kinder Schamhaftigkeit gar wohl merken kann.
Das Schamhaftigkeitsgefühl der Kinder ist eine Empfindung der Seele, sowie sie sich einmal zu fühlen anfängt, durch die sich stumm die Unzufriedenheit kundgibt, da sich die Seele als ein Geistiges mit einem plumpen und ungefügigen Fleisch umkleidet sieht, dessen sie ohne Schmerzen nicht los werden kann; je zarter und sensitiver der Körper einer Seele ist, desto stärker wird auch ihr Schamhaftigkeitsgefühl sein. Wenn nun ein rechter Erzieher der Kleinen es versteht, dieses unvertilgbare Gefühl zur rechten Demut zu lenken, so schafft er aus diesem Gefühl dem Kind einen Schutzgeist und stellt es auf den Weg, auf welchem fortwandelnd es leicht zur frühen geistigen Vollendung gelangen kann; aber eine nur ein klein wenig schiefe Leitung dieses angestammten Gefühls kann sogleich auf den Hochmut und Stolz hinüberlenken.
Das Schamhaftigkeitsgefühl in den sogenannten Kinderehrgeiz hinüberzulenken, ist schon hoch gefehlt; denn da fängt ein Kind gleich an, sich als ein vorzüglicheres zu denken denn ein anderes. Es wird leicht beleidigt und gekränkt und weint darum ganz bitterlich; in diesem Weinen gibt es klar und deutlich kund, dass es in seinem Hoheitsgefühl von jemand verletzt worden ist.
Suchen nun schwache und sehr kurzsichtige Eltern das beleidigte Kind dadurch zu besänftigen, dass sie, wenn auch nur zum Schein, den Beleidiger des Kindes zur Verantwortung und zur Strafe ziehen, so haben sie bei dem Kind schon den ersten Keim zur Stillung des Rachedurstes gelegt; und so die Eltern ihr Kind gleichfort auf dieselbe Weise besänftigen, so erziehen sie aus demselben nicht selten einen Teufel für sich und für viele andere Menschen. Wo aber die Eltern klug sind und dem Kind schon frühzeitig stets den größeren Wert in den andern Menschen und Kindern erschauen lassen und so das Schamhaftigkeitsgefühl in eine rechte Demut hinüberlenken, da werden sie aus ihren Kindern Engel ziehen, die später als wahre Lebensvorbilder den andern, gleich den schönsten Sternen in der Nacht des Erdenlebens, voranleuchten und sie erquicken werden mit ihrer Sanftmut und Geduld. “ [GEJ.04_083,03-06]