SCHRIFTTEXTERKLÄRUNG
"Solches habe ich mit euch geredet, dass ihr in mir Frieden habt.
In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden."
Johannes 16,33
Dieser Text gehört wieder zu denjenigen, die sehr durchsichtig sind und jedermann den geistigen Sinn schon in dem Buchstaben auf den ersten Griff ertappen kann. Ich will euch daher den Sinn dieses Textes sogleich mit wenigen Worten dartun, und ihr werdet in diesen wenigen Worten erkennen den vollkommen richtigen geistigen Sinn dieses Textes; und so hört!
Alles das, was Ich eben jetzt zu euch rede, ist auch von dieser Art, dass es euch in jeder Lage eures Lebens den wahren, inneren Herzensfrieden in der Liebe zu Mir geben muss, wenn ihr eben dieses Gesagte nur einigermaßen werktätig beachtet.
Die Welt möchte euch auch bedrängen von allen Seiten; aber sie kann es nicht, weil sie von Mir überwunden ist. So ihr aber durch eure Liebe Mich in euch habt, so habt ihr ja auch den ewigen Überwinder der Welt in euch. Die Welt aber hat Meine Macht erfahren; daher darf und kann sie dem kein Haar krümmen, der wahrhaftig Meinen Frieden in seinem Herzen birgt.
Sobald aber jemand sich aus diesem Frieden erheben will und wirft selbst der Welt den Handschuh zum Kampf hin, der hat sich's dann nur selbst zuzuschreiben, wenn er von der Welt gefangengenommen und misshandelt wird. Wer aber wahrhaftig bleibt in Meinem Frieden, der ist geborgen für die Ewigkeit, und kein weltlicher Hauch wird ihm je ein Haar krümmen.
Es wird hier freilich mancher sagen: „O Herr! Sieh, die Apostel und Deine Jünger und so viele der ersten Christen und auch in der späteren Zeit eifrige Streiter um das reine Evangelium sind zu Märtyrern geworden, und die Welt hat sich schändlichst grauenhaft an diesen von Deinem Frieden Erfüllten gerächt. Warum, o Herr, hat sie Dein Friede nicht geschützt vor den Krallen der Welt? Denn Du hast doch Selbst geredet vor Deinem Leiden, dass der Fürst der Welt gerichtet ist. Wie mochte dann der Gerichtete wohl Gewalt haben, die Welt gegen Deine Friedensträger so grauenhaft zu entrüsten?“ Diese Frage ist eitel genug, und wer nur einigermaßen in der Geschichte bewandert ist, der wird es klar finden, dass all die Märtyrer von den Aposteln angefangen bis in die späteren Zeiten abwärts nicht durch irgendeinen Zwang oder durch irgendeine zulässige Bestimmung von Mir, sondern freiwillig aus einem Liebeheroismus in den Martertod darum gegangen sind, weil Ich, ihr Meister, Selbst gekreuzigt ward. Ich sage euch: Ein jeder Märtyrer hätte auch, ohne ein Märtyrer zu werden, Mein Evangelium ausbreiten können. Aber die Ausbreiter kannten Mich, hatten das ewige Leben vor Augen, und so hatten sie denn auch keine große Lust, lange in der Welt umherzugehen, sondern konnten den Zeitpunkt kaum erwarten, in dem ihnen ihr Fleisch abgenommen würde, auf dass sie dahin gelangen möchten, wohin Ich vorangegangen bin.
Johannes aber hatte die größte Liebe zu Mir; darum scheute er die Verfolgungen der Welt nicht und wollte sie lieber bis auf den letzten Tropfen verzehren, als dass er Mir von seiner bestimmten irdischen Lebenszeit etwas gewisserart abgebettelt hätte. Er war somit mit Meiner Ordnung vollkommen zufrieden, während viele andere Bettler waren und sich lieber die schmählichsten Leibesmartern wollten gefallen lassen, als noch einige Jahre länger zu wirken für Mein Reich. Da aber bei Mir ein jeder das haben kann, um was er ernstlich und vollgläubig bittet, so konnte Ich ja doch auch nicht bei diesen ersten Zeugen Mein Wort zurücknehmen, das da spricht: „Um was immer ihr Mich bitten werdet, das werde Ich euch geben!“
Aus dieser Beleuchtung geht nun klar hervor, dass Mein Wort der Blutzeugen nicht bedurfte; denn Ich habe ja den Einen ewig gültigen Zeugen, Meinen Heiligen Geist Selbst allen denen verheißen, die Meine Lehre annehmen und nach derselben leben werden. Und dieser Zeuge ist der bleibende, während das Blut der ersten Märtyrer schon lange für alle späteren Zeiten sogar geschichtlich spurlos geworden ist. Wenn aber dieser Geist ein ewiger Zeuge ist, wozu sollte Ich die Blutzeugenschaft Meiner Nachfolger verlangen? Wer selbst ein Blutzeuge werden will, der soll es auch werden; aber es glaube ja niemand, dass er Mir dadurch einen Dienst erweist, sondern ein jeder, der das tut, der tut es zum eigenen, aber nicht zu Meinem Vorteil!
Es ist, als so ein Vater zu seinen Kindern, deren Kleider noch gut sind, sagte: „Ich werde euch gar herrliche neue Kleider geben, so ihr diese zuvor abgetragen habt!“ Einige Kinder aber lassen sich von der Hoffnung und Vorliebe zu den neuen Kleidern verleiten und schonen die alten Kleider nicht im Geringsten mehr. Wenn die Kleider bald schleussig [verschlissen] sind, da schafft ihnen der Vater freilich die verheißenen; aber einige dieser Kinder, die den Vater mehr lieben als die Kleider, schonen weise die alten, um den Vater nicht vor der Zeit in die Unkosten zu sprengen. Obschon aber bei Mir von gewissen Unkosten keine Rede sein kann, so sind aber dabei andere Unkosten, nämlich die einer kleinen Bewerkstelligung einer Unordnung zu berücksichtigen. Denn Ich habe jedem Menschen aus Meiner Ordnung ein bestimmtes Lebensziel gesetzt, und dieses besteht nicht im Schwert, noch im Feuer; denn der Tod durch Schwert und Feuer ist ein Gericht. Wer aber sonach in was immer Meiner Ordnung eigenwillig und eigenmächtig vorgreift, der muss sich dann freilich insoweit ein kleines Gericht gefallen lassen, insoweit er Meiner gesetzten Ordnung vorgegriffen hat.
Daniel wollte nicht sterben; darum ward er erhalten in der Löwengrube und desgleichen die Jünglinge im Feuerofen, und mehrere ähnliche Beispiele. Und seht, ihnen allen ward kein Haar gekrümmt, und gar vielen Tausenden Meiner Liebhaber ward ebenfalls kein Haar gekrümmt, weil sie die Kraft Meines Friedens in ihrem Herzen ungestört erhielten. Aber ein jeder, der sich über diesen Frieden hinaus schwingen wollte, der musste dafür aber auch den Unfrieden der Welt verkosten. Man wird freilich auch hier sagen: „Wenn so, da ist es ja am besten, die Welt Welt sein zu lassen in all ihrem schändlichen Getriebe, und ein jeder Bessere lebe ganz unbekümmert um die Welt in seinem Frieden fort; und wenn es alle so machen, wird da die Welt nicht bald bis zu den Sternen mit Gräueln angefüllt sein?“
Gut, sage Ich, berechnet das zurück! Seit den Zeiten der Apostel hat es doch sicher eine Unzahl Eiferer gegeben, die gewisserart mit glühendem Schwert in der Hand die Welt bessern wollten. Ströme von Blut wurden vergossen. Fragt euch selbst, mit welchem Erfolg? Blickt dann in die Welt hinaus, und sie wird euch von allen Seiten her die sonnenklare Antwort geben. Bis auf eure Zeit sollte die große Zahl der Eiferer doch einen solchen Nachruf hinterlassen haben, dass ihm zufolge die ganze Welt offenbar ein Paradies sein müsste, und dennoch ist die Welt eben in dieser eurer Zeit zehnmal schlechter, als sie zu den Zeiten Noahs war!
Warum sagte denn David: „O Herr, wie gar nichts sind alle Menschen gegen Dich, und alle Menschenhilfe ist kein nütze!“? David sagte das, weil er Mich kannte; ihr aber redet anders, weil ihr Mich nicht so kennt, wie Mich David gekannt hat! Meint ihr denn, Ich weiß nicht, was die Welt tut, und sei etwa zu lau, um die Welt für ihre Untaten zu züchtigen? Ich sage euch: Glaubt etwas anderes, und überlasst die Leitung der Welt Mir! Wer das Schwert zieht, der kommt auch durch das Schwert um. Mit offener Gewalt wird nie jemand etwas ausrichten gegen die Welt; denn wo die Welt Gewalt sieht, da begegnet sie derselben wieder mit Gewalt, und auf diese Weise würgt fortwährend ein Volk das andere. Wer aber die Welt bekämpfen will, der muss sie mit heimlichen Waffen bekämpfen, und diese Waffen sind Meine Liebe und Mein Friede in euch! Jeder aber muss zuerst mit diesen Waffen die eigene Welt in sich besiegen, dann erst wird er eben diese Waffen allzeit siegreich gegen die Außenwelt gebrauchen können. Wahrlich, wer nicht innerlich ein Meister der Welt ist, der wird es äußerlich umso weniger werden! Jeder aber, der in sich noch einen fluchähnlichen Feuereifer verspürt, der ist noch nicht fertig mit seiner eigenen Welt; denn dieser Eifer rührt noch von dem geheimen Zweikampf zwischen Meinem Frieden und der Welt im Menschen her. Denn die Welt ist's, die da eifert und richtet und Feuer vom Himmel ruft, um sich dadurch listigerweise für Meine Sache zu maskieren; Mein Geist aber und Mein Friede eifert nicht, sondern wirkt mächtig im Stillen nur und gänzlich unbemerkt von aller Welt und hat kein anderes Außenschild als die Werke der Liebe und in der Erscheinlichkeit die Demut. Wegen der wahren Liebe und Demut aber ist Meines Wissens seit Meinem Johannes noch nie jemand von der Welt gerichtet worden.
Seht, darin also besteht der wahre innere Friede und darin auch derjenige mächtige Sieg über die Welt, den Ich Selbst erfochten habe! Beachtet demnach diese Erklärung, so werdet ihr die Welt in euch und jede andere allzeit und ewig besiegen durch Meinen Namen und durch Meinen Frieden! Amen.
Schrifttexterklärungen Kap.35