"Ihr habt nie weder seine Stimme gehört..." - Der Prophet Jakob Lorber

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SCHRIFTTEXTERKLÄRUNG

"Ihr habt nie weder seine Stimme gehört noch seine Gestalt gesehen..."
Johannes 5,37 ff.


„Ihr habt nie weder seine Stimme gehört noch seine Gestalt gesehen, und sein Wort habt ihr nicht in euch wohnend; denn ihr glaubt dem nicht, den er gesandt hat. Ihr sucht in der Schrift; denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist's, die von mir zeugt; ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben haben möchtet. Ich nehme nicht Ehre von Menschen; aber ich kenne euch, dass ihr nicht Gottes Liebe in euch habt. Ich bin gekommen in meines Vaters Namen, und ihr nehmt mich nicht an. So ein anderer wird in seinem eigenen Namen kommen, den werdet ihr annehmen. Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt? Und die Ehre, die von Gott allein ist, sucht ihr nicht.“ [Johannes 5, 37ff]

„Dieser Text gibt in kurzen Worten kund, welchen Bund Ich mit den Menschen habe, nämlich keinen Bund der Ehre. Denn die Menschen, wie sie sind, sind Mir wirklich keine Ehre. Dazu habe Ich die Menschen auch nicht erschaffen, dass sie Mich ehren sollen. Einen Bund aber habe Ich mit den Menschen, und dieser heißt Liebe und besagt etwas ganz anderes als die Ehrung.
Wer sind die, die sich ehren lassen? Das sind die Fürsten und Großen der Welt.
Warum lassen sie sich ehren? Weil sie mehr sein möchten als Menschen, obschon ihnen ihr Bewusstsein sagt, dass sie nicht mehr als Menschen sind.
Was ist die Ehre, die man jemandem erzeigt? Sie ist nichts anderes als urgründlich die Furcht vor dem Stärkeren und Mächtigeren. Denn der Schwächere fürchtet die Schläge des Mächtigeren und dessen Unbarmherzigkeit; darum kriecht er vor ihm und ehrt ihn und betet ihn förmlich an, damit der Mächtigere, durch solche Schmeichelei bestochen, ihm die Schläge erlassen möchte. Je ehrfurchtsvoller aber der Schwächere gegen den Stärkeren wird, desto ehrsüchtiger und grausamer wird auch der Stärkere.
Frage hier: Ist solche Ehrung eine Frucht edlen oder bösen Samens? Ich meine: Wie die Frucht, so wird auch der Same sein!
Meint ihr aber demnach, dass Ich das von den Menschen nehmen sollte, was vor Mir ein Gräuel und der scheußlichste Ekelgeruch ist?
Aus welchem Grund sollte Ich Mich von den Menschen ehren lassen? Etwa weil Ich Gott, und die Menschen Meine Geschöpfe sind? Weil Ich allmächtig und alle Menschen gegen Mich gar nichts sind?
Was würde Ich wohl haben von solch einer Ehre? Werde Ich dadurch etwa mehr Gott, und wird dadurch Meine Allmacht größer?
Bei den Menschen ist dieser Akt noch verzeihlicher; denn so viel Schwächere einen Stärkeren hoch ehren, so gewinnt er dadurch an Macht und Ansehen. Wo sieht aber für Mich ein Gewinn heraus, so Mich die Menschen wie andere Große auf der Erde ehren? Ich meine, diesen Gewinn dürfte wohl ein allerscharfsichtigster Cherub mit dem allerbesten Mikroskop, das ein Atom bis zu einer Hauptzentralsonne vergrößern möchte, nicht entdecken; denn Ich bin Gott, allmächtig von Ewigkeit.
Könnte Ich durch die Ehrungen der Menschen wohl noch mehr werden? – Ich meine kaum; daher habe Ich auch nirgends ein Gesetz erlassen: „Du sollst Gott, deinen Herrn, ehren über alles!“, sondern nur lieben über alles. Darum heißt es denn auch im vorliegenden Vers, dass Ich nicht die Ehre bei den Menschen suche; denn da ist schon in Mir Einer, der Mich wahrhaft ehrt von Ewigkeit.
Welche Freude Ich aber danach an den „Ad maiorem Dei gloriam“-Taten habe, oder wie man bei euch auf der Welt zu sagen pflegt: „Alles zur Ehre Gottes!“, könnt ihr aus diesem Verslein leicht ersehen; denn wer Mich nicht ehrt in seinem Herzen wie eine vor Liebe brennende Braut ihren Bräutigam, des Ehre ist vor Mir ein Greuel!
Was habe Ich von dem tausendfachen „Herr, wir ehren Dich!“, wobei aber die Herzen voll Dreck sind? – Auf eine solche Ehre soll von der ganzen Hölle aus geschmissen werden!
Denn alle, die Mich ehren auf solche zeremonielle Weise, sind die „Herr-Herr!“-Rufer, und sie mögen Mir tausend Litaneien vorsumsen und sagen: „Herr, wir ehren Dich und preisen Deine Stärke!“, „Herr, wir bitten Dich, erhöre uns!“ und „Herr, erbarme Dich unser!“ und mögen tausendmal hinzusagen „Ehre sei Gott dem Vater!“ usw.
Ich aber werde ein solches Gewäsch dennoch nie erhören und werde allzeit zu den „Herr-Herr!“-Sagenden sprechen: „Weicht von Mir; denn Ich habe euch noch nie erkannt! Ihr habt der Ehrgebete und Litaneien in großer Menge gehabt; warum aber habt ihr nicht auch eine Litanei erfunden, in der es lebendigermaßen heißen möchte – nicht: „Herr, wir ehren Dich!“, sondern: „Lieber heiliger Vater, wir lieben Dich!“?
Man wird hier freilich einwenden und sagen: „Die Ehre Gottes muss sein! Denn sie ist eine edle Frucht der wahren Gottesfurcht; denn wer Gott nicht fürchtet, der ist aller bösen Taten fähig.“
Ich aber sage: Wennschon Gottesfurcht besser ist, als böse Taten üben, so wird aber dennoch aus einer solchen Gottesfurcht für niemanden ein ewiges Leben erwachsen, weil ein furchtsames Gemüt schon ein gerichtetes ist. Denn wer das Schlechte nur aus Furcht vor Mir unterlässt, der wird eine harte Probe zu bestehen haben; denn in der Furcht vor Mir ist keines Menschen Geist einer Beseligung fähig, und es wird ihm zuvor die Furcht benommen werden, und es wird sich dann zeigen, was er ohne Furcht vor Mir tun wird.
Also sind wohl auf der Erde auch viele Sträflinge in den Kerkern durch die Furcht vor der Strafe in der gesetzlichen Ordnung erhalten; werden sie aber nach der Strafzeit auf freien Fuß gestellt, so sind sie zehnmal ärger denn früher.
Alle Höllengeister leben und bestehen in der größten Furcht vor Mir; Mich nur von fern zu erschauen oder Meinen Namen zu vernehmen, ist für sie das Schrecklichste! Welcher Tor aber wird da behaupten, dass die Höllengeister darum gut seien, weil sie eine so große Furcht vor Mir haben?
Ich setze aber ein Beispiel: Es gäbe irgend auf der Erde einen so überaus guten Menschen, der zwar überaus wohlhabend wäre, dabei aber die größte Liebe, Sanftmut und Zuvorkommenheit selbst, und jeder Mensch, der zu ihm käme – welchen Standes er auch sein möchte, welcher Nation, ob Freund oder Feind –, würde von ihm allzeit auf das liebreichste aufgenommen werden. Frage: Welcher Mensch müsste da wohl ein so großer Tor sein und möchte so einen Menschen fürchten ärger denn einen Scharfrichter?
Welcher Mensch aber ist wohl besser, liebreicher und sanftmütiger als Ich? Und dennoch will man sich lieber fürchten vor Mir, als Mich lieben mit der größten Zutraulichkeit!
Dennoch aber sage Ich: Die Mich fürchten und ehren, die scheinen das aus gutem Grund zu tun; denn sie wissen, dass ihr Herz aller Liebe ledig ist. Darum wollen sie das durch die Furcht bei Mir ersetzen. Aber es geht ihnen dabei wie einer Braut, die ihrem allergetreuesten Bräutigam untreu geworden ist und ward zu einer Hure. Warum ward sie das? Weil sie die Liebe in ihrem Herzen zu ihrem Bräutigam vergab. So aber der Bräutigam kommen wird, wird er die mit bebender Furcht erfüllte Braut auch also ansehen und annehmen, als so sie ihm flammenden Herzens wäre entgegengekommen? Wird er nicht etwa zu ihr sagen: „Wie siehst du aus? Also habe ich dich nie gesehen! Warum bebst du vor mir, der dich über alles liebte? Wahrlich, in diesem Zustand mag ich dich nicht erkennen! Was habe ich dir je getan, dass du mich fürchtest? Wie hat solche Furcht deine ehemalige Liebe verdrängen können? Wie soll ich dich nun glücklich machen, ich, den du nicht liebst, sondern fürchtest?! – Also muss ich weichen von dir aus Liebe zu dir, auf dass die Furcht vor mir in deinem Herzen dich nicht länger quäle!“
Seht, in diesem Beispiel liegt das „Ich kenne euch nicht, ihr ‚HerräHerr!‘-Sager!“ klar und deutlich erklärt, und darum will Ich nicht die Ehre der Menschen als die Frucht der Furcht, sondern die getreue kindliche Liebe will Ich!
Danach trachtet ihr in eurem Herzen, so werde Ich Mich euch nahen können, aber nicht in eurer Ehrung und Furcht! Seid liebfreie, aber nicht durch Furcht gerichtete Täter Meines Worts; darin werdet ihr das ewige Leben finden und Mich, euren Vater! Amen.


Schrifttexterklärungen Kapitel 27


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